Eine Partei für die Frauen?
Am 5. November 1979 wurden Johanna Dohnal und Franziska Fast als frauenpolitische Staatssekretärinnen der Regierung Kreisky angelobt. Erstmals wurde Frauenpolitik staatliches Politikfeld und auf Regierungsebene verankert. Die Reformen der 1970er- und 1980er-jahre holte die politische Regulierung der Geschlechterbeziehungen endlich ins 20. Jahrhundert.
Dies und die Arbeit Dohnals – das Staatssekretariat von Fast wurde bereits 1983 wieder aufgelöst – führten dazu, dass sich die SPÖ als „Partei für die Frauen“etablierte. Frauen wurden als eigenständige Personen und nicht nur in ihrer Funktion in der Familie adressiert. Dass Frauen Interessen jenseits der Familie haben sollten, dass männliche Gewalt, unbezahlte Hausarbeit, eine patriarchale Sexualkultur und vieles mehr thematisiert wurde, galt damals als Skandal. Vieles hat sich seither zum Besseren gewendet, gleichzeitig gibt es Beharrungstendenzen – die Entwicklungen sind widersprüchlich. Angesichts der Verschärfung sozialer Ungleichheit – auch zwischen den Geschlechtern – verwundert aber die beharrliche Nicht-thematisierung von grundlegenden frauenpolitischen Fragen – zuletzt im Nationalratswahlkampf 2019. eine der politischen Parteien griff die prekäre Lage vieler Frauen ernsthaft auf – seien es die immer noch eklatanten Einkommensunterschiede, die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit, die fehlenden sozialen Dienste oder die skandalöse Pensionsreform der ersten schwarzblauen Regierung, die für viele Frauen einer programmierten Altersarmut gleichkommt. Was viele nicht (mehr) zu begreifen scheinen, ist, dass Gleichstellungspolitik ohne Sozialpolitik für den Großteil der Frauen kaum Relevanz besitzt. 40 Jahre nach der Institutionalisierung von Frauenpolitik und zum 80. Geburtstag Johanna Dohnals, der Pionierin österreichischer Frauenpolitik und ersten Frauenministerin, gilt es zu erinnern, dass ökonomische Unabhängigkeit Grundvoraussetzung demokratischer Geschlechterverhältnisse ist. Angesichts der gegenwärtigen Lage braucht es dringend wieder eine „Partei der Frauen“.
Alexandra Weiss ist Politikwissenschaftlerin an der Universität Innsbruck
Dass Frauen Interessen jenseits der Familie haben sollten, dass unbezahlte Hausarbeit thematisiert wurde, galt damals als Skandal.
K