Zur Person
Klemm ist richtig wütend auf eine patriarchalische Gesellschaft, die Leistungen von Frauen geringer schätzt. Sie kritisiert aber auch, dass Frauen ihre Chancen sausen lassen und ins traute Heim flüchten. Die Feministin Elvira wird für sie zur Speerspitze, die sich sogar gegen Pferdehoden richtet: Schon darüber nachgedacht, wieso bei Reiterstandbildern die Helden stets auf Hengsten sitzen? Klemms Blick auf Details, die (nur aus alter Gewohnheit?) oft unter den Tisch fallen, ist brutal, ihre Beschreibungen sind exakt bis schonungslos, die Formulierungen pointiert und von eiskaltem Witz. Ihre Position ist eindeutig feministisch und in diese zwingt sie die Leserinnen und Leser hinein. Das ist zugegeben etwas mühsam.
Als Elvira den talentierten Kameratechniker Adrian als Hilfskraft für ihre provokanten Aktionen anheuert, hält der den männlichen Blick dagegen. In einem alten Campingbus startet das ungleiche Duo einen Rachefeldzug, um die zu Lebzeiten verabsäumte Würdigung von Helene und ihren Ideen nachzuholen. Gebrauchte Windeln werden zu Installationen, Skulpturen von Komponisten in Frauen verwandelt, einem Kriegerdenkmal wird eine Riesenvulva verpasst.
Und immer signiert Elvira mit einem Seepferdchen, einem Hippocampus. Bei den Tierchen werden die Männchen trächtig. Und der Teil des Gehirns, der für Gedächtnis und Lernen zuständig ist, heißt auch so. Sollte man sich merken. Gertraud Klemm, geb. 1971 in Wien, Biologiestudium. Seit 2006 Autorin und Schreibpädagogin. Romane: „Herzmilch“, „Aberland“, „Muttergehäuse“, „Erbsenzählen“.
Abrechnung mit der Männerwelt: Gertraud Klemm
Gertraud Klemm. Hippocampus. Kremayr & Scheriau,
394 Seiten, 22,90 Euro.