Das Glück ist ein Vogerl
Von Brieftauben im Biedermeier, einem Lottogewinn und einem großen Betrug.
Es hat ihn wirklich gegeben, diesen Johann Karl von Sothen, einen berühmt-berüchtigten Ausbeuter im Wien des 19. Jahrhunderts. Geschäftstüchtig und charmant, war der Sohn eines Schneiders durch systematischen Lotteriebetrug zum Millionär aufgestiegen.
„Die Tauben waren schneller als jeder Postwagen und jeder berittene Kurier“, heißt es in einer Passage des Buches, und man versteht den Trick: Die Lottozahlen wurden in der k. u. k. Monarchie in Brünn ermittelt und via Kurierdienst nach Wien gebracht. Mittels Brieftaube wusste der „Lotteriebaron“schon früh die gezogenen Zahlen und konnte sie noch rechtzeitig setzen.
Die Taubenzüchterin Berta Hüttner, ein Mädel aus einfachen Verhältnissen, verunstaltet durch eine Hasenscharte, wurde zur Komplizin für den Emporkömmling, der auch schon Bertas Vater auf dem Sterbebett einen Lottoschein gestohlen hatte. Erpresst mit ihrem unehelichen Kind von
Sothe, spielte mit.
Die kleine, feine Geschichte macht das Wien des Biedermeiers anschaulich lebendig. Atmosphärisch dicht, kenntnisreich und mit zig fast vergessenen Ausdrücken erzählt Bettina Balàka von „Strizzis“und „Pompfüneberern“, von den sozialen und hygienischen Verhältnissen im 19. Jahrhundert und den bescheidenen Freuden der „kleinen Leute“.
Wie die Salzburger Autorin das tut, ist anrührend und spannend zugleich. Mit Zeitsprüngen und wechselnder Erzählperspektive zeichnet die 53-Jährige hier ein Frauenleben, auf das auch der verächtliche Kommentar des betrügerischen Barons über eine lahme Taube passt: „Er würde schon wegfliegen, der Pülcher. Seine Flügel sind gestutzt, das ist der ganze Zauber!“Dass am Schluss die Gerechtigkeit siegt und die Vögel in die Freiheit fliegen, ist vielleicht dick aufgetragen, aber sympathisch zu lesen.
Karin Waldner-petutschnig Bettina Balàka.
Die Tauben von Brünn. Deuticke, 190 Seiten, 20,60 Euro. sie widerwillig