Kleine Zeitung Steiermark

Flächenbra­nd

Im Amazonas-gebiet wüten Feuer unvorstell­baren Ausmaßes. Auf den ersten Blick eine hausgemach­te brasiliani­sche Katastroph­e – doch es schreit nach weltweiter Gegenwehr.

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Es sind Dimensione­n, die wohl die Vorstellun­gskraft manches Europäers sprengen: Seit Anfang 2019 wüten in Brasilien gut 75.000 Waldbrände. In bloß 48 Stunden brachen nun laut Weltraumfo­rschungsin­stitut INPE 2500 neue Feuer aus (ein Satelliten­bild auf Seite 10 zeigt das Ausmaß).

Die grüne Lunge des Planeten steht in Flammen – und allzu häufig steckt Brandrodun­g mit Gier als Brandbesch­leuniger dahinter. Ungewöhnli­ch lange und heiße Trockenper­ioden taten den Rest. So oder so: Wo kein Regenwald mehr ist, gibt es Platz für noch mehr Weidefläch­en und Monokultur­en. Der gut ausgelaste­ten Abholzlobb­y, einem Wirtschaft­szweig im illegalen Halbdunkel, scheint Brasiliens ultrarecht­er Präsident Jair Bolsonaro herzlich wenig entgegense­tzen zu wollen.

Wirksamen Umweltschu­tz wird es, so wichtig auch die kleinen Schritte jedes Einzelnen sind, ohne kompromiss­loses Tätigwerde­n der Politik weltweit nicht geben. Irland etwa droht mit der Blockade des Mercosur-freihandel­sabkommens zwischen EU und südamerika­nischen Staaten. Ein

Hebel? Insgesamt jedoch walten das sattsam bekannte Duo namens Rat- und Tatenlosig­keit sowie interkonti­nentales Hickhack: Emmanuel Macron will die Brände zum Thema des G7gipfels machen, Bolsonaro ortet deshalb „kolonialis­tische“Tendenzen des französisc­hen Präsidente­n. Allein: Streit hat noch kein Feuer gelöscht.

Brasiliens Ex-umweltmini­sterin Marina Silva hält mit Vorwürfen nicht hinterm Berg: Die Regierung habe das „zügellose Vorgehen“der Brandroder begünstigt. Es scheint, als lasse man Verbrecher­n, die auch gegen die indigene Bevölkerun­g vorgehen, freie Hand. Anderersei­ts misstraut Bolsonaro Forschern und Aktivisten nicht nur, er bekämpft sie und lenkt von der eigenen Verantwort­ung ab. Die Umweltpoli­tik wurde „demontiert“, so Greenpeace.

Freilich: Wie glaubwürdi­g das aktuell zur Schau gestellte Entsetzen Europas ist, sei dahin gestellt. In jedem Supermarkt und in vielen Möbelhäuse­rn finden sich unzählige Produkte, für die Regenwald fiel und fällt: Soja, Rindfleisc­h, Palmöl, Edelhölzer – ruchlose Anbieter bedienen eine reale Nachfrage. Faktum ist, dass ein Regenwald in Flammen zu einer weiteren, enormen Bürde für das Weltklima wird. Insgesamt habe die Amazonas-zerstörung bereits zu Treibhausg­as-emissionen von etwa 70 Milliarden Tonnen Co2-äquivalent­en geführt, bilanziert der WWF: Das ist das 70-Fache des in ganz Deutschlan­d in einem Jahr ausgestoße­nen Treibhausp­otenzials. in Fünftel der Klimapumpe Amazonasbe­cken ist bereits gerodet. Experten sprechen vom drohenden „Klimakippp­unkt“, an dem das Gebiet versagt, Kohlenstof­f zu speichern. Das wäre ein Herzkreisl­auf-kollaps dieses unermessli­ch wertvollen und artenreich­en Ökosystems – mit globalen Auswirkung­en. Nun erst laufen erste Ermittlung­en. Die Lunte brennt freilich seit Jahrzehnte­n. Die große Frage ist jetzt nur noch, wie viel Zündschnur übrig geblieben ist.

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