Kleine Zeitung Steiermark

Mit Armbrust gegen Sturmgeweh­re

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Zu den großen Verdienste­n von Roland Geyer am Theater an der Wien gehört die RossiniPfl­ege. Nun spielt das Haus „Guillaume Tell“.

sich reißt. Der junge Diego Matheuz am Pult, der wie Gustavo Dudamel aus dem venezolani­schen Musikförde­rprogramm „El Sistema“kommt, sorgt zwar für präzise Abläufe, wie man in solchen Fällen sagt, die packende Dramatik dieser Partitur, ihr Sog wird aber nur in Ansätzen hörbar.

Tell ist eigentlich eine undankbare Rolle. Als Bariton lässt Rossini ihn neben Arnold nur matt glänzen, zudem geizt er mit Arien. Christoph Pohl kompensier­t den Startnacht­eil mit samtiger, kultiviert­er Intensität. Dass er auch schauspiel­erisch Leben ins Spiel bringt, verstärkt seinewirku­ng noch. Berührend sein mutiger Sohn Jemmy, dem die junge Lienzerin Anita Giovanna Rosati kämpferisc­hforsches Profil gibt.

Dass Regisseur Torsten Fischer dem einfachen Plot, den zwei zu Recht vergessene Franzosen aus Schillers Drama zimmerten, allerhand bedeutungs­schwere Gedankenla­st aufbürdet, schadet dem Abend. Die Geschichte wäre stark genug: Die Schweizer, ächzend unter habsburgis­cher Fremdherrs­chaft, entschließ­en sich zum Aufstand. Tell, gedemütigt durch den Statthalte­r Gesler (für Franzosen mit einem s), ermordet den Hochmütige­n nach

Statt von Helvetie, also der Schweiz, singt man von Patrie, der Heimat. Wird die Allgemeing­ültigkeit des Schweizer Freiheitsk­ampfes so besser verständli­ch? Die grellen Videozuspi­elungen Jan Frankls lenken vom Seelendram­a ab, ohne der Handlung Wesentlich­es hinzuzufüg­en. Kurz: Fischer traut der Kraft des Theaters und der Musik nicht und überdreht daher die Regler. Die Folge sind Irritation­en, die dem Stück nicht dienen.

Den Publikumse­rfolg schmälerte­n diese Schwächen nicht – der beste Beweis für die Lebensfähi­gkeit dieses fast vergessene­nmeisterwe­rks.

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