Das erste Abenteuer ohne Eltern
Ferienlager sind für Kinder ab neun Jahren eine tolle Erfahrung. Vorausgesetzt, die Eltern können loslassen.
Mehrere Nächte in Folge auswärts schlafen, ausnahmsweise einmal ohne die Eltern, dafür unter vielen Gleichaltrigen. Jede Menge Zeit in der Natur, gemeinsam spielen, Spaß haben, den Sommer und die freie Zeit genießen. So ein Ferienlager klingt nach dem perfekten Abenteuer für Kinder, oder? Seltsamerweise nimmt die Nachfrage nach den traditionellen mehrwöchigen Kinderferienlagern eher ab. So nimmt es jedenfalls Michael Winterhoff, Kinderund Jugendpsychiater aus Bonn und Bestsellerautor von ElternRatgeberbüchern, wahr. Er meint: „Es gibt tatsächlich immer weniger Eltern, die so ein Ferienlager überhaupt in Erwägung ziehen. Viele Eltern leben heute in einer Symbiose mit ihren Kindern und wollen sie gar nicht hergeben.“
Und wenn, dann hätten die Eltern beim Abschied meist das viel größere Problem mit dieser vorübergehenden Trennung als die Kinder. Diese Beobachtung machte der Experte, der selbst über viele Jahre als Betreuer in Ferienlagern dabei war, immer wieder. Heute sind es auch in der Regel die Eltern, die lieber kein Handyverbot während so einer Trennung wollen. „Das Handy ist dann sozusagen der verlängerte Arm zum Kind“, so beschreibt es Winterhoff.
Argumentiert wird oft mit Heimweh des Kindes. Allerdings: „Kinder ab neun, zehn Jahren sind allgemein definitiv reif für ein Ferienlager“, so der Experte. Wenn ein Kind in diesem und über dieses Alter hinaus sehr großes Heimweh entwickle, dann sei das eher ein Problem, das Eltern mit ihrem Verhalten provoziert hätten: „Dawurde offenbar schon lange im Übermaß auf die Beziehung zum Kind fokussiert. Leider nimmt man dem Kind genau damitwachstumspotenzial.“ Kinderpsychiater Michael Winterhoff
Was also tun bei schmerzlichen Heimwehattacken? Sie geflissentlich ignorieren? Der Kinderpsychiater rät zum Augenmaß. „Wenn ich mein Kind auf ein Ferienlager mitschicke, muss ich natürlich sicher sein, dass die Betreuer Verantwortung übernehmen. Das heißt: Wenn’s ganz schlimm wird, müssen die Eltern informiert werden und die Sache muss nötigenfalls sogar abgebrochen werden. Aber bitte nicht beim ersten kleinsten Anlass! Viele Kinder sind die Bewegung in der Natur heutzutage nicht mehr gewöhnt und bekommen von kurzen Wanderungen schon Bein- und andere Schmerzen. Dannwollen sie natürlich gleich wieder heim. In so einem Fall geht’s dann schon darum, auch einmal etwas durchzuhalten.“
Das mit dem Durchhalten wird in vielen Familien heutzutage kaum mehr praktiziert, meint Winterhoff. „Am Wochenende in denwald oder in dienatur zu gehen, das scheitert meistens am Protest des Kindes. Und