Der Polizeistaat grüßt zackig
Vor der Fußball-wm in Russland fordern viele imwesten zumindest einen politischen Boykott. Aber daraus wird wohl nichts werden. Peinlichkeiten sind üblich an der Schnittstelle zwischen Sport und Politik.
Unlängst wurden drei Hochschüler der staatlichen Moskauer Lomonossow-universität festgenommen. Sie sollen einen Wm-wegweiser nahe demuniHauptgebäude mit dem Spruch „Keine Fanzone“übermalt haben. Seit Monaten protestieren Studenten dagegen, dass eine der Fanzonen in der Hauptstadt auf dem Hochschulgelände eröffnet werden soll. Sie befürchten, der Lärm der Fußballfreunde werde ihr Studium stören. Die Polizei aber hat ein Strafverfahren wegen Vandalismus eröffnet, den Verdächtigen drohen Gefängnisstrafen. „Obwohl der Wegweiser eher nach Sperrholz aussah als nach einem Kulturdenkmal“, wie einer der Studenten, Dmitri Petelin, dem Reportageportal meduza.io sagte.
Russlands Fußball-wmtreibt eigene Blüten. „Es scheint, als wollten die Sicherheitsorgane gerade jetzt beweisen, wie tüchtig sie sind“, sagt der Menschenrechtler Lew Ponomarjow. Mehrere Hunderttausend Polizisten, Nationalgardisten, Geheimdienstler und Militärs werden die Stadien und Ausrichtungsstädte schützen, es hagelt Alkohol-, Grill-, Wassersport- und Kundgebungsverbote. Und Repressalien gegen Op- positionelle, in Grosny etwa sitzt Ojub Titijew, Regionalchef der Menschenrechtsorganisationmemorial, als mutmaßlicher Drogenhändler in Untersuchungshaft. In Pensa und Sankt Petersburg sollen Vernehmungsbeamte des Inlandsgeheimdienstes FSB mehrere junge Antifaschistinnen mit Stromstößen gefoltert haben. Nach den Anti-putin-demonstrationen am 5. Mai wurden mehr als 1500Menschen festgenommen, der Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, sein Stabschef, seine Pressesprecherin sowie andere enge Mitarbeiter und Regionalkoordinatoren zu mehrwöchigen Arreststrafen verurteilt. Der Polizeistaat grüßt zackig.
Russlands Vision für diese WM hat sich seit ihrer Vergabe 2010 gewandelt. Damals hieß Russlands Nationaltrainer Guus Hiddink, seine junge Mannschaft war 2008 ins EMHalbfinale gestürmt. Aber es folgten Pleiten in Serie. Russlands Experten sind sich einig, dass der „Sbornaja“jetzt die Klasse fehlt, um mehr als die Gruppenphase zu überstehen. Angesichts zwei Prozent Siegchancen, die ihnen eine vaterländische Mathematikergruppe zugesteht, hat auch Wladimir Putin den erhofften WM-TRI- umph ins Außersportliche gedreht: „Sieger werden die Veranstalter sein, die dieses bemerkenswerte Fest auf würdigem Niveau organisieren.“
Für 13 Milliarden Dollar hat Russland auf jeden Fall das teuerste Fußballturnier der Geschichte organisiert. Man modernisierte 13 Flughäfen, errichtete allein in Moskau 30 Hotels, baute 7700 Kilometer Autostraßen und 2000 Kilometer Eisenbahn neu, Investitionen, die den Regionen dauerhaft nutzen. Vor allem aber richtete Russland zwölf Wm-stadien ein, davon acht komplette Neubauten. Allein die Sankt-petersburg-arena mit 67.000 Plätzen kostete 800 Millionen Dollar, doppelt so viel wie etwa die Münchner Allianz-arena mit 75.000 Plätzen. Diese sündhaft teure Infrastruktur, zu der auch zahlreiche Trainingszentren gehören, soll den Fußball zumindest im europäischen Russland flächendeckend beleben. Allerdings ist in Kaliningrad, Sotschi, Saransk