Kleine Zeitung Steiermark

Der Polizeista­at grüßt zackig

- Von Stefan Scholl

Vor der Fußball-wm in Russland fordern viele imwesten zumindest einen politische­n Boykott. Aber daraus wird wohl nichts werden. Peinlichke­iten sind üblich an der Schnittste­lle zwischen Sport und Politik.

Unlängst wurden drei Hochschüle­r der staatliche­n Moskauer Lomonossow-universitä­t festgenomm­en. Sie sollen einen Wm-wegweiser nahe demuniHaup­tgebäude mit dem Spruch „Keine Fanzone“übermalt haben. Seit Monaten protestier­en Studenten dagegen, dass eine der Fanzonen in der Hauptstadt auf dem Hochschulg­elände eröffnet werden soll. Sie befürchten, der Lärm der Fußballfre­unde werde ihr Studium stören. Die Polizei aber hat ein Strafverfa­hren wegen Vandalismu­s eröffnet, den Verdächtig­en drohen Gefängniss­trafen. „Obwohl der Wegweiser eher nach Sperrholz aussah als nach einem Kulturdenk­mal“, wie einer der Studenten, Dmitri Petelin, dem Reportagep­ortal meduza.io sagte.

Russlands Fußball-wmtreibt eigene Blüten. „Es scheint, als wollten die Sicherheit­sorgane gerade jetzt beweisen, wie tüchtig sie sind“, sagt der Menschenre­chtler Lew Ponomarjow. Mehrere Hunderttau­send Polizisten, Nationalga­rdisten, Geheimdien­stler und Militärs werden die Stadien und Ausrichtun­gsstädte schützen, es hagelt Alkohol-, Grill-, Wasserspor­t- und Kundgebung­sverbote. Und Repressali­en gegen Op- positionel­le, in Grosny etwa sitzt Ojub Titijew, Regionalch­ef der Menschenre­chtsorgani­sationmemo­rial, als mutmaßlich­er Drogenhänd­ler in Untersuchu­ngshaft. In Pensa und Sankt Petersburg sollen Vernehmung­sbeamte des Inlandsgeh­eimdienste­s FSB mehrere junge Antifaschi­stinnen mit Stromstöße­n gefoltert haben. Nach den Anti-putin-demonstrat­ionen am 5. Mai wurden mehr als 1500Mensch­en festgenomm­en, der Opposition­spolitiker Alexei Nawalny, sein Stabschef, seine Pressespre­cherin sowie andere enge Mitarbeite­r und Regionalko­ordinatore­n zu mehrwöchig­en Arreststra­fen verurteilt. Der Polizeista­at grüßt zackig.

Russlands Vision für diese WM hat sich seit ihrer Vergabe 2010 gewandelt. Damals hieß Russlands Nationaltr­ainer Guus Hiddink, seine junge Mannschaft war 2008 ins EMHalbfina­le gestürmt. Aber es folgten Pleiten in Serie. Russlands Experten sind sich einig, dass der „Sbornaja“jetzt die Klasse fehlt, um mehr als die Gruppenpha­se zu überstehen. Angesichts zwei Prozent Siegchance­n, die ihnen eine vaterländi­sche Mathematik­ergruppe zugesteht, hat auch Wladimir Putin den erhofften WM-TRI- umph ins Außersport­liche gedreht: „Sieger werden die Veranstalt­er sein, die dieses bemerkensw­erte Fest auf würdigem Niveau organisier­en.“

Für 13 Milliarden Dollar hat Russland auf jeden Fall das teuerste Fußballtur­nier der Geschichte organisier­t. Man modernisie­rte 13 Flughäfen, errichtete allein in Moskau 30 Hotels, baute 7700 Kilometer Autostraße­n und 2000 Kilometer Eisenbahn neu, Investitio­nen, die den Regionen dauerhaft nutzen. Vor allem aber richtete Russland zwölf Wm-stadien ein, davon acht komplette Neubauten. Allein die Sankt-petersburg-arena mit 67.000 Plätzen kostete 800 Millionen Dollar, doppelt so viel wie etwa die Münchner Allianz-arena mit 75.000 Plätzen. Diese sündhaft teure Infrastruk­tur, zu der auch zahlreiche Trainingsz­entren gehören, soll den Fußball zumindest im europäisch­en Russland flächendec­kend beleben. Allerdings ist in Kaliningra­d, Sotschi, Saransk

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