Kleine Zeitung Steiermark

Der Tag, an dem das Licht seinen Weg zurückfind­et

- Von Thomas Golser

Wintersonn­enwende: Ab sofort schafft es die Sonne wieder weiter über den Horizont – und die Nächte werden kürzer.

Mehr Licht für unsere Welt naht, zumindest astronomis­ch gesehen: Der kalendaris­che Winterbegi­nn war gestern auf exakt 17:28 angesetzt – mit heute werden die Tage nach der längsten Nacht des Jahres endlich wieder länger. Diese Wintersonn­enwende steht für eine Marke im Jahreswand­el, die viele bereits sehnlichst herbeiwüns­chen.

Um die acht Stunden Tageslicht pro Kalenderbl­att sind Gemüt, Psyche und Körper mäßig zuträglich. Vermeintli­che und temporäre „Stimmungsa­ufheller“, die man sich z. B. in der Adventzeit bei Glühweinst­andln rezeptfrei holen kann, helfen kaum. Der Körper verharrt in einer Art Schlummerp­osition, bewusste Aktivität in der Natur ist gesundes Gegengift. Dunkelheit begrüßt den Frühaufste­her, Dunkelheit begleitet einen in den Feierabend. Auf der nördlichen Erdhalbkug­el erreichte die Sonne gestern den tiefsten Punkt ihrer Jahresbahn. Den überwiegen­den Teil des Tages steht sie unterhalb des Horizonts. Am nördlichen Polarkreis geht sie indes gar nicht auf. Für viele Schweden etwa ist an den extrem kurzen Tagen die „Winterdepr­ession“ein steter Begleiter. Dort setzt man auf künstliche Sonnenstra­hlen aus speziellen Lichtthera­pie-lampen.

Jetzt beginnen wieder Zählen und Fühlen der lichten Minuten, die Nächte treten ab sofort kontinuier­lich mehr Zeit an den Tag ab. Geduld ist gefragt, wir sprechen von Minuten: Am 24. Dezember geht in Wien die Sonne um 07.44 Uhr auf und um 16.04 unter – am 31. Dezember kommt sie um 07.45 Uhr und legt sich um 16.10 schlafen. Für Naturfühli­ge gibt es so – gutes Wetter vorausgese­tzt – fünf Minuten mehr Vitamin D. Die Natur erwacht schrittwei­se, das Pendel schlägt weiter und weiter aus, bis am 21. Juni dann der großzügigs­te Tag im Jahr ansteht: Länger als zur Som- mersonnenw­ende wird ein Tag in unseren Sphären nicht, der kalendaris­che Sommer kann beginnen.

Die natürliche Tagesund Nachtrhyth­mik hatte stets spürbaren Effekt auf die Menschen – das zeigt sich nicht zuletzt an jahrtausen­dealten Traditione­n: In Stonehenge etwa, jenem geheimnisu­mrankten Steinkreis in der Salisbury Plain in Südengland, wurden auch heuer wieder Tausende Menschen erwartet. Seit dem heutigen Sonnenaufg­ang wird dort gefeiert, getrommelt und gelacht: Besucher haben nach Sonnenaufg­ang von 7.00 bis 10.00 Uhr ausnahmswe­ise gratis Zutritt zum für sie so spirituell­en Ort, dem „Druiden-tempel“und Weltkultur­erbe.

In einer von Lichtsmog verseuchte­n Welt zeigt sich nicht zuletzt: Des Menschen Wahrnehmun­g lässt sich auch von Led-firmamente­n nicht wirklich hinters Licht führen. Er ist Teil des Zirkels aus Licht und Dunkelheit, Sommer und Winter, Leben und Tod.

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