Der Tag, an dem das Licht seinen Weg zurückfindet
Wintersonnenwende: Ab sofort schafft es die Sonne wieder weiter über den Horizont – und die Nächte werden kürzer.
Mehr Licht für unsere Welt naht, zumindest astronomisch gesehen: Der kalendarische Winterbeginn war gestern auf exakt 17:28 angesetzt – mit heute werden die Tage nach der längsten Nacht des Jahres endlich wieder länger. Diese Wintersonnenwende steht für eine Marke im Jahreswandel, die viele bereits sehnlichst herbeiwünschen.
Um die acht Stunden Tageslicht pro Kalenderblatt sind Gemüt, Psyche und Körper mäßig zuträglich. Vermeintliche und temporäre „Stimmungsaufheller“, die man sich z. B. in der Adventzeit bei Glühweinstandln rezeptfrei holen kann, helfen kaum. Der Körper verharrt in einer Art Schlummerposition, bewusste Aktivität in der Natur ist gesundes Gegengift. Dunkelheit begrüßt den Frühaufsteher, Dunkelheit begleitet einen in den Feierabend. Auf der nördlichen Erdhalbkugel erreichte die Sonne gestern den tiefsten Punkt ihrer Jahresbahn. Den überwiegenden Teil des Tages steht sie unterhalb des Horizonts. Am nördlichen Polarkreis geht sie indes gar nicht auf. Für viele Schweden etwa ist an den extrem kurzen Tagen die „Winterdepression“ein steter Begleiter. Dort setzt man auf künstliche Sonnenstrahlen aus speziellen Lichttherapie-lampen.
Jetzt beginnen wieder Zählen und Fühlen der lichten Minuten, die Nächte treten ab sofort kontinuierlich mehr Zeit an den Tag ab. Geduld ist gefragt, wir sprechen von Minuten: Am 24. Dezember geht in Wien die Sonne um 07.44 Uhr auf und um 16.04 unter – am 31. Dezember kommt sie um 07.45 Uhr und legt sich um 16.10 schlafen. Für Naturfühlige gibt es so – gutes Wetter vorausgesetzt – fünf Minuten mehr Vitamin D. Die Natur erwacht schrittweise, das Pendel schlägt weiter und weiter aus, bis am 21. Juni dann der großzügigste Tag im Jahr ansteht: Länger als zur Som- mersonnenwende wird ein Tag in unseren Sphären nicht, der kalendarische Sommer kann beginnen.
Die natürliche Tagesund Nachtrhythmik hatte stets spürbaren Effekt auf die Menschen – das zeigt sich nicht zuletzt an jahrtausendealten Traditionen: In Stonehenge etwa, jenem geheimnisumrankten Steinkreis in der Salisbury Plain in Südengland, wurden auch heuer wieder Tausende Menschen erwartet. Seit dem heutigen Sonnenaufgang wird dort gefeiert, getrommelt und gelacht: Besucher haben nach Sonnenaufgang von 7.00 bis 10.00 Uhr ausnahmsweise gratis Zutritt zum für sie so spirituellen Ort, dem „Druiden-tempel“und Weltkulturerbe.
In einer von Lichtsmog verseuchten Welt zeigt sich nicht zuletzt: Des Menschen Wahrnehmung lässt sich auch von Led-firmamenten nicht wirklich hinters Licht führen. Er ist Teil des Zirkels aus Licht und Dunkelheit, Sommer und Winter, Leben und Tod.