Wie auf Druck der Damm brach
Ein schweres Ringen, bis sich die Philharmoniker zur „Chancengleichheit ohne Geschlechterdiskriminierung“bekannten.
Die „Arbeitsgruppe Frauenrechte – Menschenrechte“fordert in einem offenen Brief die Wiener Philharmoniker zu einer Erklärung für das Nichtvorhandensein von Frauen im Orchester auf.
Die Orchesterleitung unter Werner Resel führt sozial- und arbeitsrechtliche Probleme als Begründung dafür an, warum auch zukünftig weiblichen Mitgliedern der Zutritt zum „Männerverein“Philharmoniker auf unbestimmte Zukunft verwehrt bleibt. Frauen im Orchester würden die künstlerisch vertretbare Personal-limitierung überschreiten. Grüne und Liberale reagieren mit Kritik und entsprechenden „Hilfsangeboten“.
Laut Kunstminister Rudolf Scholten (SPÖ) prüfe sein Ressort die Möglichkeit für Frauen, im Rahmen des Bundes-gleichstellungsgesetzes in das Orchester aufgenommen zu werden. Zudem wird über eine mögliche Subventionskürzung bei Mitgliedschaftsverweigerung für Musikerinnen gesprochen. Verschiedene politische Parteien begrüßen den Vorstoß. Die Philharmoniker verzichten im Jahr darauf freiwillig auf die staatliche Unterstützung von jährlich 2,5 Millionen Schilling.
Die Harfenistin Anna Lelkes, zu diesem Zeitpunkt bereits 26 Jahre im Dienst des Orchesters, wird als erste Frau bei den Philharmonikern aufgenommen. Der Entscheidung, sich offiziell zur „Chancengleichheit ohne Geschlechterdiskriminerung“auszusprechen, waren neben massivem Druck heimischer Politiker (u. a. des Bundeskanzlers Viktor Klima) auch internationale Proteste und Boykottaufrufe einflussreicher amerikanischer Frauenverbände wie der „International Alliance for Women in Music“vorausgegangen. Auch nach dem Umdenken der Vereinsleitung erheben Verbände der USA weiterhin Vorwürfe gegen das Orchester und bewerten die Frauenklausel als bloßen „Beschwichtigungsversuch“.
Philharmonikervorstand Werner Resel tritt „aus persönlichen Gründen“zurück. Er hatte sich bis zum Schluss eher gegen eine Öffnung des Vereins für Frauen ausgesprochen und kurzfristig sogar mit dessen Auflösung gedroht, geriet aber in den eigenen Reihen unter Druck. Nachfolger wird Clemens Hellsberg, zuvor Stellvertreter Resels, der „Versäumnisse“bei der Aufnahme weiblicher Mitglieder einräumt.