Immer noch zweite Geige
Nach einer Protestflut wurde vor 20 Jahren die allererste Frau bei den Wiener Philharmonikern aufgenommen. Heute sind elf Musikerinnen Mitglieder im exklusiven Orchesterverein. Es gibt noch viel zu tun.
Nach massiven internationalen Protesten und nachdrücklichen Appellen österreichischer Politiker entschieden sich die Wiener Philharmoniker am 27. Februar 1997, mit ihrer gut 150 Jahre alten Tradition zu brechen und erstmals Frauen als Mitglieder zuzulassen. Damals wurde die ungarische Harfenistin Anna Lelkes als erste Philharmonikerin aufgenommen (siehe rechts).
Nur scheinbar ein Dammbruch. Es tröpfelte in den Herrenklub zunächst bloß hinein. 2001 wurde Charlotte Balzereit anstelle der pensionierten Anna Lelkes engagiert. Bei ihren Usa-tourneen mussten sich die Philharmoniker weiterhin vorwerfen lassen, eine „rassistische, frauenfeindliche Philosophie“zu vertreten, und die „New York Times“kritisiert das „old boys network“, das im Vergleich zu anderen Formationen wie der New Yorker Philharmonie mit ihrem 40-Prozent-frauenanteil ultra-konservativ sei.
Selbst im Jahr 2006 saß immer noch bloß Harfenistin Balzereit im exklusiven Männerkreis. Und nur drei Musikerinnen gehörten zu der Zeit zum Staatsopernorchester, aus dessen Reihen die Philharmoniker als Privatverein ihre Mitglieder rekrutieren. Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, stellte damals die berechtigte Frage: „Wann ist endlich Schluss mit der Diskriminierung?“
Beantwortet ist sie bis heute nicht wirklich, auch wenn der seinerzeitige Vorstand Clemens Hellsberg feststellte: „Jeder Gedanke an Quote geht am Wesen der Kunst vorbei. Und wir wären ja verrückt, nicht einfach die Besten zu nehmen.“Derzeit zählt das Orchester neben 121 Männern elf Frauen, darunter Albena Danailova im Konzertmeister-trio; zwei Musikerinnen sind auf dem möglichen Sprung in die Elite (siehe Kasten rechts oben).
Dürfen Damen weiterhin nur die zweite Geige spielen? Die 175-Jahr-feier, die das Renommierorchester im März begeht, könnte ja wieder einmal ein Anlass sein, das Selbstverständnis zu überdenken. „Vielleicht sind wir in 20 Jahren ja ein reines Frauenorchester“, orakelte Andreas Großbauer im Vorjahr in der „Wiener Zeitung“. So optimistisch wie der Grazer, der seit Juni 2014 den Wiener Philharmonikern vorsteht, wollen wir jetzt gar nicht sein. Aber ein bissl was geht schon noch.