Der erste Frack des Präsidenten
Augenblicke
Rechts ist er flankiert von der debütierenden First Lady Doris Schmidauer und dem Hausherrn Dominique Meyer, links von der ebenfalls debütierenden Organisatorin Maria Großbauer. An der Brust prangt mit dem Groß-stern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich ein Orden, den er erst vor wenigen Wochen verliehen bekam und auf Lebenszeit tragen darf. Geschmückt ist er mit weißer Fliege und rot-weiß-roter Schärpe. Der schwarze Frack sitzt wie angegossen – das Stück musste schließlich erst neu gekauft werden, weil der Präsident bisher schlichtweg keinen besessen hatte. So marschierte Alexander Van der Bellen bei seinem Debüt am Wiener Opernball über die Feststiege des geschichtsträchtigen Hauses am Ring. Zwar war es aufgrund des tragischen Todesfalls der Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser nur ein Kurzauftritt, aber dennoch: Urplötzlich stehen Van der Bellen, der älter gewordene revolutionäre Geist vergangener Tage, und seine Frau, die Grünen-klubgeschäftsführerin, als Ersatzkaiserpaar an der Spitze jener Veranstaltung, in der das Eliten-establishment in monarchistischem Glanz über das Tanzparkett schwebt.
Frei von jeder Ironie ist dies freilich nicht. Denn einst demonstrierte Schmidauer noch gegen den Ball und die dort stattfindende pompöse Darstellung der Republik, an deren Spitze sie nun Jahre später ihren Luxusplatz einnimmt. Der Alt-68er Van der Bellen wechselte zwar nicht von der Straße in die Präsidentenloge, erweckt aber doch stets den Eindruck, sich im Parlament wohler zu fühlen als bei glanzvollen Gala-auftritten im Frack und mit Fliege. Ein möglicher Trost: Der erste Staatsmann, dem es nun so ergeht, ist Van der Bellen nicht: Bruno Kreisky, legendärer SPÖ-CHEF und Kanzler von 1970 bis 1983, formulierte seine Abneigung gegen den Opernball einst so: „Das ist die Rache der Geschichte, dass die jungen Revolutionäre von einst nun auf ihre alten Tage befrackt und mit Orden behangen auf Bälle gehen müssen, um dort zu repräsentieren“.