Die Brisanz einer Geste
Was die päpstliche Fußwaschung an Flüchtlingen über das Christentum aussagt.
Ältere unter uns können sich noch lebhaft an die heißen Terrorjahre erinnern. In Irland bombte die IRA, die ETA im Baskenland, Brigate Rosse wie Faschisten in Italien und die RAF in Deutschland. Über all dem hing die Angst vor der Zerstörung des Kontinents durch atomar bestückte SS-20 Raketen. Im Vergleich dazu, sagt die Statistik, leben wir in ruhigen Zeiten.
Nach Terroranschlägen drängen sich die Gefühle von damals wieder ins Bewusstsein. Und doch ist alles anders. Es fehlen die Sympathisanten, Intellektuelle, die schönreden, was da an sektiererischem Wahnsinn die noch jungen Rechtsstaaten Europas bedrohte. Die Mörder von heute sind isoliert in abgeschlossenen Gruppen Gleichgesinnter. Ihr Bezugspunkt ist ein von Gewalt und Schrecken zusammengehaltenes staatsähnliches Gebilde, das niemanden lockt als gescheiterte Existenzen, die nichts zu verlieren haben.
Damit ist die Gefahr nicht gebannt. Die Erinnerung kann aber helfen gegen die Angst. Europa kennt seine totalitären Versuchungen und hat Mittel gefunden, sie einzufrieden. Am Ostersonntag sei daran erinnert, dass der Kontinent nach mörderischen Glaubenskriegen auch die totalitären Tendenzen im Christentum überwinden konnte. Das gibt Hoffnung und um die geht es zu Ostern.
Dass der Papst am Gründonnerstag die Füße von Hindus und Moslems symbolisch gewaschen hat, lässt sich leicht als billige Geste abtun, aus der nichts folgt. Wer so urteilt, verkennt aber die Brisanz des Akts. Was soll diese Symbolhandlung bedeuten? Das einfache Zeichen gilt Menschen völlig unabhängig von ihrem Bekenntnis, ihrem Denken. Ein Mensch vollzieht eine demütige Geste an einem anderen. Drastischer lässt sich konfessionell definierte Religion, die sich mehr oder weniger aggressiv gegen andere abgrenzt, nicht relativieren. Franziskus, wie vor ihm auch andere, zeigt in emotional, religiös und politisch aufgeheizten Zeiten einen Ausweg aus dem Gewaltkreislauf, den auch Religionen immer wieder befeuert haben und befeuern. Er zeigt, was unter Bezug auf einen gemeinsamen Gott aller Menschen im günstigsten Fall passieren könnte.
Zeichen sind noch keine Realpolitik. Die Fußwaschung schafft keinen Konflikt aus der Welt, auch nicht die Frage, wie viele Flüchtlinge in Europa Platz finden können oder sollen. Die Geste ist, wie man im Fußball sagen würde, eine Steilvorlage. Sie zu „verwandeln“, ist jedem Einzelnen überlassen. uch deshalb sind die Worte, die sich auf das Christentum beziehen, auf der Titelseite unserer heutigen Ausgabe in der Farbe der Hoffnung markiert.
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