Präziser Tiefentraum vom Menschsein
Handkes jüngster Streich am Burgtheater.
haufen vor das Theater gelegt, forderten Leserbriefschreiber eine Untersuchung seines Geisteszustandes oder gleich seine Inhaftierung, während es bei Premieren zuging wie auf dem Fußballplatz. Peymann schaffte es wie kein Zweiter, die Glasur vom Punschkrapfen zu kratzen, das Braune zu entblößen und eine Zweiteilung zu betreiben, die einem nur die Wahl ließ, für oder gegen ihn zu sein. sterreich wurde so kompromisslos gespalten, wie es heute bei der Flüchtlingsproblematik oder beim Gendern der Fall ist. Eine Weile lang war das wichtig und heilsam, notwendig und befreiend, irgendwann aber verkam es zum vorhersehbaren, retardierenden Mechanismus, der sich totgelaufen hatte. Seither gibt es eine Sehnsucht nach diesem Theater außerhalb des Theaters. Aber wird sie gestillt? Nein! Nicht von Peymann. Es spricht für sein dramaturgisches Geschick, dass er sich diesmal ganz zurücknimmt. Nun ist der Skandal der, dass kein Skandal mehr ausgerufen wird. ollte der einstige Rabauke altersmilde geworden sein? Lassen Sie mich das mit einer kleinen Anekdote beantworten, die brühwarm aus der Burgtheaterkantine kommt: Bei einem jener Leseabende, die Peymann gemeinsam mit Hermann Beil veranstaltet, wird ein Wiener Schnitzel benötigt. Der Bröselfetzen muss erstens groß sein und zweitens aus dem Imperial
ÖSWIEN. 1966 setzte Claus Peymann in Frankfurt am Main sein erstes Stück von Peter Handke in Szene und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. 50 Jahre nach der „Publikumsbeschimpfung“und etliche Uraufführungen später ist der 78-Jährige erneut mit einem Stück des um fünf Jahre jüngeren Kärntners zugange. Kommenden Samstag hat am Burgtheater der jüngste Handke-Streich Premiere: „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße“.
Eine Antwort auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik sei sein Stück jedenfalls nicht, befand Handke in einem Interview. „Es ist mehr ein präziser Tiefen- traum vom Menschsein. Aber natürlich, wenn dieser Traum nicht auch das Aktuelle zumindest streift und zum Schwingen und Ondulieren bringt, hat es auch keinen Sinn“, so der Autor. Nur zum Ort des Geschehens gibt es einen konkreten Hinweis: „Ich habe da an Griffen gedacht, wo ich herkomme, an die Straße, die nach Süden, in ein Dorf namens Ruden führt.“
Am Burgtheater wird KarlErnst Herrmann für die optische Umsetzung des „ebenso poetischen wie polemischen Textes“(so „Burg“-Chefin Karin Bergmann) sorgen. In den Hauptrollen sind Christopher Nell („Ich“) und Martin Schwab (Capo) zu erleben.