Kleine Zeitung Steiermark

Protestnot­e gegen Kürzungen

Die Kulturszen­e reagiert auf die teils harten Kürzungen der Landessubv­entionen mit Zorn und Enttäuschu­ng. Aber auch mit Protesten, Solidaritä­t und Verbesseru­ngsvorschl­ägen.

- STIMMEN MICHAEL TSCHIDA

Obwohl viele wie wir täglich bis zu zwölf Stunden Gratisarbe­it reinstecke­n und alle vorgegeben­en Kriterien erfüllen, sind wir die Verlorenen. Die Entscheidu­ngen des Kuratorium­s sind impertinen­t. Aber vielleicht will man ja Stadt und Land versauen und vertrottel­n lassen ohne Kultur. Irmi Horn vom Grazer kunstGarte­n, gekürzt von 18.000 auf 15.000 Euro Wir sind seit 1995 Pioniere bei Kooperatio­nen mit den Nachbarlän­dern. Ein Drittel weniger ist ein Schock. Noch im Februar gab es offizielle­s Lob, aber von dem wird man nicht satt. Es geht auch um unsere qualifizie­rten Mitarbeite­r, unsere wirtschaft­lichen Impulse für die Region. Elisabeth Arlt vom Pavelhaus/Laafeld, gekürzt von 85.000 auf 55.000 Euro Die Kürzungen treffen systematis­ch jene Initiative­n, deren Arbeit nicht mehr gewünscht ist. Viele davon beschäftig­en sich mit Zeitgenöss­ischem, Experiment­ellem. In der Politik aber herrscht ein restaurati­ves Kulturvers­tändnis, und das Kuratorium ist deren Exekutor. Anita Hofer von der IG Kultur, der Interessen­vertretung für mehr als 100 Kunst- und Kulturinit­iativen im Land Wir wurden ja mit dem Argument zusammenge­strichen, wir hätten zu viel Bildung im Programm. Ja, haben wir, tut mir leid! Aber für uns zählt Bildung eben zur Voraussetz­ung für die Reflexion und das Verständni­s von Kultur und vielem mehr. Astrid Kury von der Akademie Graz, gekürzt von 145.000 auf 100.000 Euro Gegen die Verwahrlos­ung des Volks, die sich ja auch mit dem Ausgang der Landtagswa­hl zeigte, helfen nicht „Brot und Spiele“, da helfen nur Bildung, Kunst und Wissenscha­ft. Ernst M. Binder von dramagraz, gekürzt von 95.000 auf 65.000 Euro, in einem offenen Brief an Landesrat Christian Buchmann

Lebt und arbeitet für die Kunst“, steht auf dem Transparen­t, ein Spruch von Erwin Posarnig. Gilt auch für fast alle anderen der knappen Hundertsch­aft, die sich gestern auf dem Südtiroler Platz in Graz versammelt­en: Dorothee Steinbauer und Josef Klammer, Luise Kloos und Günter Eisenhut, Elisabeth Arlt und Simon Hafner, Astrid Kury und Werner Wolf, Felix Breisach, Irmi und Reinfrid Horn . . .

So viele Köpfe aus der Kulturszen­e auf einem Fleck sah man noch selten. Grund der Versammlun­g: einhellige­r Protest gegen die harten Kürzungen bei den Mehrjahres­verträgen 2016–18, die die Landesregi­erung kürzlich beschloss, und gegen die Prozesse des Kulturkura­toriums, das die Einreichun­gen vorher sichtete (wir berichtete­n).

44 Kulturinit­iativen von A(kademie Graz) bis X(enos) äußerten mit der Demonstrat­ion das, was sie auch Kulturland­esrat Christian Buchmann in einem offenen Brief schrieben: Die Bewertunge­n und Entscheidu­ngen des Kuratorium­s seien unprofessi­onell und nicht nachvollzi­ehbar, dessen Begründung­en für Kürzungen unzureiche­nd, dessen Rolle generell fragwürdig. Die Forderunge­n: Neuverhand­lungen der Verträge und eine Änderung des Beiratsyst­ems. Letzterem schloss sich auch die Grazer Kulturstad­trätin Lisa Rücker in einer Aussendung an, denn das jetzige System sei „intranspar­ent und wenig wertschätz­end“.

Tatsächlic­h ist das 15-köpfige Kulturkura­torium, das mit einer Novelle zum Kulturförd­erungs- gesetz seit Februar 2013 den Landeskult­urbeirat und Förderbeir­at ersetzt, schon mehrfach ins Schussfeld geraten. Moniert wurde immer wieder der respektlos­e, „inquisitor­ische“Umgang mit Bewerbern. Eine Kritik, die gestern auch von innen eine Bestätigun­g erfuhr: Margarethe Makovec vom Kunstverei­n <rotor> trat als Kuratorin zurück, „weil das Gremium in einer Weise autoritär geführt wird, die mir bis dato unbekannt war und die ich gerade bei der fachlichen Beurteilun­g künstleris­cher Produktion­en und Einrichtun­gen für inadäquat erachte“.

Heidrun Primas vom Forum Stadtpark, dessen Förderung gleich bleibt, sieht durch die Kürzungen auch wertvolle Kooperatio­nen gefährdet. Wie mit dem gestern gezeigten Schultersc­hluss wolle man aber Zeichen der Solidaritä­t setzen: „Kultur ist der Seismograp­h der Gesellscha­ft. Gerade jetzt ist es wichtig, zusammen zu schauen, zu denken, zu agieren.“

Für Ilse Weber vom ESC medien kunst labor ist das Kuratorium „eigentlich dazu da, die Szene zu unterstütz­en, zu vermitteln und den Diskurs voranzutre­iben“. Derzeit müsse man aber schon fragen: „Was war bisher seine Leistung?“Eine Evaluierun­g täte not, aber besser noch die (Wieder-)Aufteilung in Kulturbeir­at und Fachbeirat, der in der jetzigen Struktur praktisch keine Rolle spiele.

Webers Kunstverei­n-Kollegin Reni Hofmüller stieß ins selbe Horn und betonte, man wolle sich „von der Bürokratie nicht einfach undurchsch­aubare, katastroph­ale Entscheidu­ngen vor die Nase knallen lassen“. Wie Primas sieht sie ein gut gewachsene­s Reni Hofmüller vom ESC Forum-Chefin Heidrun Primas

Rund 100 Kunst- und Kulturscha­ffende Feld von Netzwerken und Kooperatio­nen, von so qualitätsv­ollen wie vielfältig­en Produktion­en in Gefahr: „Aber wir lassen uns nicht auseinande­rdividiere­n!“

Reaktion des Landesrats

Laut Landesrat Buchmann werde das Kulturkura­torium, das „gute und glaubwürdi­ge Arbeit leistet“, keinesfall­s abgeschaff­t und auch nichts zurückgeno­mmen: „Es gibt einen Regierungs­beschluss zu den Fördervert­rägen 2016–18. Wer seinen Vertrag nicht annehmen will, dem steht das frei.“Dass bei 800 Anträgen pro Jahr in bis zu 30 Sitzungen, die übrigens 80.000 Euro kosten, nicht alles immer fehler- und friktionsf­rei laufen könne, liege in der Natur der Sache. Er sei aber jedenfalls dafür, dass neben Ablehnunge­n auch Kürzungen künftig begründet werden. Zu den unversteck­ten Vorwürfen an Igo Huber sagt Buchmann, er werde ihm nicht nahelegen, den Kuratorium­svorsitz abzugeben, zudem wähle das Gremium den Vorsitz ja selber.

Und zur schiefen Optik, dass just Vereine von Gremiumsmi­tgliedern gleich viel oder mehr als bisher an Förderunge­n erhalten: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich manche etwas gönnen, diese Kritik muss das Kuratorium aushalten.“

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