Protestnote gegen Kürzungen
Die Kulturszene reagiert auf die teils harten Kürzungen der Landessubventionen mit Zorn und Enttäuschung. Aber auch mit Protesten, Solidarität und Verbesserungsvorschlägen.
Obwohl viele wie wir täglich bis zu zwölf Stunden Gratisarbeit reinstecken und alle vorgegebenen Kriterien erfüllen, sind wir die Verlorenen. Die Entscheidungen des Kuratoriums sind impertinent. Aber vielleicht will man ja Stadt und Land versauen und vertrotteln lassen ohne Kultur. Irmi Horn vom Grazer kunstGarten, gekürzt von 18.000 auf 15.000 Euro Wir sind seit 1995 Pioniere bei Kooperationen mit den Nachbarländern. Ein Drittel weniger ist ein Schock. Noch im Februar gab es offizielles Lob, aber von dem wird man nicht satt. Es geht auch um unsere qualifizierten Mitarbeiter, unsere wirtschaftlichen Impulse für die Region. Elisabeth Arlt vom Pavelhaus/Laafeld, gekürzt von 85.000 auf 55.000 Euro Die Kürzungen treffen systematisch jene Initiativen, deren Arbeit nicht mehr gewünscht ist. Viele davon beschäftigen sich mit Zeitgenössischem, Experimentellem. In der Politik aber herrscht ein restauratives Kulturverständnis, und das Kuratorium ist deren Exekutor. Anita Hofer von der IG Kultur, der Interessenvertretung für mehr als 100 Kunst- und Kulturinitiativen im Land Wir wurden ja mit dem Argument zusammengestrichen, wir hätten zu viel Bildung im Programm. Ja, haben wir, tut mir leid! Aber für uns zählt Bildung eben zur Voraussetzung für die Reflexion und das Verständnis von Kultur und vielem mehr. Astrid Kury von der Akademie Graz, gekürzt von 145.000 auf 100.000 Euro Gegen die Verwahrlosung des Volks, die sich ja auch mit dem Ausgang der Landtagswahl zeigte, helfen nicht „Brot und Spiele“, da helfen nur Bildung, Kunst und Wissenschaft. Ernst M. Binder von dramagraz, gekürzt von 95.000 auf 65.000 Euro, in einem offenen Brief an Landesrat Christian Buchmann
Lebt und arbeitet für die Kunst“, steht auf dem Transparent, ein Spruch von Erwin Posarnig. Gilt auch für fast alle anderen der knappen Hundertschaft, die sich gestern auf dem Südtiroler Platz in Graz versammelten: Dorothee Steinbauer und Josef Klammer, Luise Kloos und Günter Eisenhut, Elisabeth Arlt und Simon Hafner, Astrid Kury und Werner Wolf, Felix Breisach, Irmi und Reinfrid Horn . . .
So viele Köpfe aus der Kulturszene auf einem Fleck sah man noch selten. Grund der Versammlung: einhelliger Protest gegen die harten Kürzungen bei den Mehrjahresverträgen 2016–18, die die Landesregierung kürzlich beschloss, und gegen die Prozesse des Kulturkuratoriums, das die Einreichungen vorher sichtete (wir berichteten).
44 Kulturinitiativen von A(kademie Graz) bis X(enos) äußerten mit der Demonstration das, was sie auch Kulturlandesrat Christian Buchmann in einem offenen Brief schrieben: Die Bewertungen und Entscheidungen des Kuratoriums seien unprofessionell und nicht nachvollziehbar, dessen Begründungen für Kürzungen unzureichend, dessen Rolle generell fragwürdig. Die Forderungen: Neuverhandlungen der Verträge und eine Änderung des Beiratsystems. Letzterem schloss sich auch die Grazer Kulturstadträtin Lisa Rücker in einer Aussendung an, denn das jetzige System sei „intransparent und wenig wertschätzend“.
Tatsächlich ist das 15-köpfige Kulturkuratorium, das mit einer Novelle zum Kulturförderungs- gesetz seit Februar 2013 den Landeskulturbeirat und Förderbeirat ersetzt, schon mehrfach ins Schussfeld geraten. Moniert wurde immer wieder der respektlose, „inquisitorische“Umgang mit Bewerbern. Eine Kritik, die gestern auch von innen eine Bestätigung erfuhr: Margarethe Makovec vom Kunstverein <rotor> trat als Kuratorin zurück, „weil das Gremium in einer Weise autoritär geführt wird, die mir bis dato unbekannt war und die ich gerade bei der fachlichen Beurteilung künstlerischer Produktionen und Einrichtungen für inadäquat erachte“.
Heidrun Primas vom Forum Stadtpark, dessen Förderung gleich bleibt, sieht durch die Kürzungen auch wertvolle Kooperationen gefährdet. Wie mit dem gestern gezeigten Schulterschluss wolle man aber Zeichen der Solidarität setzen: „Kultur ist der Seismograph der Gesellschaft. Gerade jetzt ist es wichtig, zusammen zu schauen, zu denken, zu agieren.“
Für Ilse Weber vom ESC medien kunst labor ist das Kuratorium „eigentlich dazu da, die Szene zu unterstützen, zu vermitteln und den Diskurs voranzutreiben“. Derzeit müsse man aber schon fragen: „Was war bisher seine Leistung?“Eine Evaluierung täte not, aber besser noch die (Wieder-)Aufteilung in Kulturbeirat und Fachbeirat, der in der jetzigen Struktur praktisch keine Rolle spiele.
Webers Kunstverein-Kollegin Reni Hofmüller stieß ins selbe Horn und betonte, man wolle sich „von der Bürokratie nicht einfach undurchschaubare, katastrophale Entscheidungen vor die Nase knallen lassen“. Wie Primas sieht sie ein gut gewachsenes Reni Hofmüller vom ESC Forum-Chefin Heidrun Primas
Rund 100 Kunst- und Kulturschaffende Feld von Netzwerken und Kooperationen, von so qualitätsvollen wie vielfältigen Produktionen in Gefahr: „Aber wir lassen uns nicht auseinanderdividieren!“
Reaktion des Landesrats
Laut Landesrat Buchmann werde das Kulturkuratorium, das „gute und glaubwürdige Arbeit leistet“, keinesfalls abgeschafft und auch nichts zurückgenommen: „Es gibt einen Regierungsbeschluss zu den Förderverträgen 2016–18. Wer seinen Vertrag nicht annehmen will, dem steht das frei.“Dass bei 800 Anträgen pro Jahr in bis zu 30 Sitzungen, die übrigens 80.000 Euro kosten, nicht alles immer fehler- und friktionsfrei laufen könne, liege in der Natur der Sache. Er sei aber jedenfalls dafür, dass neben Ablehnungen auch Kürzungen künftig begründet werden. Zu den unversteckten Vorwürfen an Igo Huber sagt Buchmann, er werde ihm nicht nahelegen, den Kuratoriumsvorsitz abzugeben, zudem wähle das Gremium den Vorsitz ja selber.
Und zur schiefen Optik, dass just Vereine von Gremiumsmitgliedern gleich viel oder mehr als bisher an Förderungen erhalten: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich manche etwas gönnen, diese Kritik muss das Kuratorium aushalten.“