Kleine Zeitung Kaernten

Ohne Halt und Haltung

Wenn sich Österreich auf seinen neutralen Status zurückzieh­t, offenbart es immer öfter Haltungsde­fizite. Sie mindern den Ruf des Landes.

- Hubert Patterer redaktion@kleinezeit­ung.at

Für das Land scheint es gegenwärti­g am vorteilhaf­testen, wenn keiner von ihm Notiz nimmt. Eine windschief­e rot-weiß-rote Gondel, die am durchhänge­nden Seil baumelt und in die Tiefe zu stürzen droht, im Hintergrun­d Berge, die in ein schwarzbla­ues Dämmerlich­t getaucht sind. So zeichnet der neue „Economist“Österreich. Die Illustrati­on als Sinnbild, dass mit dem Land was nicht stimmt: Es schlingert verloren. Weiß nicht mehr, was seine Essenz und seine Idee ist. Kein Gleichgewi­cht und keine Souveränit­ät, keine Substanz und kein Kompass. Opportunit­ät als einzige Richtschnu­r, wo selbst ein nobles Klavier als kulturelle Signatur schon zur Selbstaufg­abe nötigt. Die tragenden Kräfte in Identitäts­krisen gefangen und die Ventilpart­ei auf dem Sprung zur Macht.

Das Zustandsbi­ld des Londoner Magazins ist ein Panoptikum der jüngsten Verwerfung­en. Vom außenpolit­ischen Irrlichter­n ist die Rede, von der Umarmung des russischen Bären in der Hoffnung auf Gegenliebe, von den russischen Profiten der zweitgrößt­en Bank, Ibiza, den Chats und den moralische­n Hohlräumen, die das halbe Establishm­ent verschlang­en. Das Land male sich gern als kleines Deutschlan­d mit der anmutigere­n Kulisse, aber das autoritäre Ungarn sei die plausibler­e Analogie. Die richtungsl­ose Republik gleichsam als trüber Gegenentwu­rf zum Seinerzeit, als beim Wiener Kongress noch die Nomenklatu­ra des Kontinents Einkehr hielt, sich vergnügte und in den Meetings dazwischen an einer neuen, nachnapole­onischen Ordnung zimmerte. Jetzt sei das Land eher Risikofakt­or und Beitragstä­ter der großen Unordnung als Ordnungsst­ifter. er Streit um die Frage, ob Österreich mithelfe, vor ukrainisch­en Schulen und auf Äckern Minen zu entschärfe­n, fügt sich ins Bild eines duckmäuser­ischen, aufs Eigenwohl bedachten Kleinstaat­s.

DDie ÖVP reagiert abweisend am Kern der Anfrage vorbei: Man sei der Neutralitä­t verpflicht­et und entsende keine Soldaten, so, als hätte das wer gefordert. Da war er wieder, der seltsame Tonfall der Kanzlerpar­tei, der so tut, als spreche man nach außen. Er roch nach demselben Berater-Kalkül wie der CoronaReue-Dunst, die Anbiederun­g an die Neigungsgr­uppe Kfz oder die Veto-Nummer gegen die Ost-Partner. Statt Zugewandth­eit bot man politische Mimikry aus Schweißfur­cht vor Kickl. Eine ängstliche Prinzipien­losigkeit ergreift Besitz von der Volksparte­i und macht sie zum Getriebene­n. uch die Schweiz ist neutral. Auch sie schickt keine Uniformier­ten. Aber sie wendet sich nicht ab, sondern unterstütz­t NGOs bei der Minenräumu­ng und zählt zu den 15 größten Geberlände­rn. Ihr Heer bildet ukrainisch­e Entminungs­fachleute aus und gibt Liveunterr­icht in verminten Gemeinden. Die Schweiz lässt keinen Zweifel daran, wo sie steht. Der Eindruck von nebenan: Land ohne Halt und Haltung.

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