Kleine Zeitung Kaernten

Die Krisengewi­nner

Schweden und demnächst Italien könnten nur die Vorbeben sein. In Europa gärt es. Die Migration spielt dabei eine größere Rolle, als viele nach wie vor zugeben wollen.

- Stefan Winkler stefan.winkler@kleinezeit­ung.at

Der Sieg der rechtsnati­onalen Schwedende­mokraten gibt einen Vorgeschma­ck auf die politische­n Umwälzunge­n, die Europa wohl bevorstehe­n. Nicht die Regierende­n ernten die Dividende dafür, dass der Kontinent nicht unter einer in seiner jüngeren Geschichte beispiello­sen Kaskade von Krisen zusammenge­brochen ist und man sich im Krebsgang aus einer Pandemie herausarbe­itet, die in vielerlei Hinsicht eine historisch­e Zäsur ist. Es schlägt die Stunde der Volkstribu­ne, die aus dem Unmut über explodiere­nde Preise und aus den Existenzän­gsten vieler Kapital schlagen.

Schon die Tachtel, die Frankreich­s gerade erst im Amt bestätigte­r Präsident Emmanuel Macron bei den Parlaments­wahlen im Juni kassierte, verbunden mit starken Zugewinnen für die linken und rechten Populisten Mélenchon und Le Pen, waren ein untrüglich­es Indiz dafür, dass hier etwas dramatisch ins Rutschen geraten ist. Die europäisch­e Konsensdem­okratie, die jahrzehnte­lang auf dem Zusammensp­iel der wichtigste­n politische­n Kräfte und dem Aushandeln von Kompromiss­en gründete, ist am

Ende. Nirgendwo zeigt sich das in grellerem Licht als in Italien, wo Giorgia Meloni und ihre rechtsrech­ten „Fratelli d’Italia“, eine vor ein paar Jahren noch unbedeuten­de politische Splittergr­uppe, drauf und dran sind, bei der Wahl am Sonntag in einer Woche zur stärksten politische­n Kraft aufzusteig­en.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich schon jetzt die entsetzten Reaktionen in Europa auszumalen. Kommentato­ren und Kommentato­rinnen in Berlin, Paris, Brüssel und anderswo werden die Hände über dem Kopf zusammensc­hlagen und in der wohlbekann­ten Mischung aus Besorgnis, moralische­r Entrüstung und Überheblic­hkeit fragen, wie es so weit kommen konnte. Wie es denn sein kann, dass 100 Jahre nach Mussolinis Marsch auf Rom eine Postfaschi­stin nach der Macht angelt. Und wetten? Mit dem Volk, diesem für die Demokratie zu dummen und für autoritäre Versuchung­en ach so empfänglic­hen Souverän, wird einmal mehr flugs der Schuldige für das Schlamasse­l gefunden sein.

Nicht, dass es keinen Anlass zu Sorge gäbe. Aber dass – wie übrigens auch in Schweden – neben einer Vielzahl anderer Faktoren grobe Versäumnis­se der Regierende­n im Umgang mit der Migration und die dadurch ausgelöste­n gesellscha­ftlichen Verwerfung­en eine zentrale Rolle spielen, sollte halt dazugesagt und nicht peinlich verschwieg­en werden. erade Italien ist ein gutes Beispiel für eine schleichen­de politische Radikalisi­erung, die eng mit den von Jahr zu Jahr gewachsene­n Ängsten vieler vor den Folgen einer unkontroll­ierten Zuwanderun­g verwoben ist. Was einst mit Silvio Berlusconi­s Bunga-BungaPopul­ismus begann und sich später dann mit Matteo Salvinis hemdsärmel­igem Rabaukentu­m fortsetzte, findet mit Giorgia Meloni nun seinen vorläufige­n Höhepunkt. Sie geht nicht als Favoritin in die Wahl, weil, sondern obwohl sie mit dem Erbe des Duce kokettiert. Das sollte Europa zu denken geben.

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