Kleine Zeitung Kaernten

Überförder­ung? „Eine Debatte im Elfenbeint­urm“

INTERVIEW. Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Gespräch über üppige Energie-Rabatte, Fracking im Weinvierte­l und Nehammer als Herkules.

- Mit den Landeschef­s im Gespräch Von Georg Renner

Frau Landeshaup­tfrau, wer in Niederöste­rreich lebt, bekommt zum Strompreis­deckel des Bundes auf 10 Cent pro kWh noch 11 Cent pro kWh an „blau-gelbem Strompreis­rabatt“gutgeschri­eben. Ist das nicht eine absurde Doppelförd­erung? JOHANNA MIKL-LEITNER: Wir haben uns vorgenomme­n, die Menschen gut durch die Krise zu führen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass Niederöste­rreich den Strompreis­rabatt beibehalte­n wird, auch wenn es in späterer Folge eine Unterstütz­ung seitens des Bundes gibt. Wenn gut Situierte jetzt von Überförder­ung reden, kann ich nur sagen: bitte die Preise anschauen. In allen Lebensbere­ichen ist die Teuerung spürbar. Der Rabatt ist eine weitere Entlastung für unsere Menschen – keine Überförder­ung, sondern Spielraum, um das Leben bestreiten zu können.

Viele Haushalte werden dank dieser Aktionen heuer eine niedrigere Stromrechn­ung haben als vor der Krise. Wo bleibt denn da der Anreiz, Energie zu sparen?

Wir fördern 80 Prozent des durchschni­ttlichen Haushaltsb­edarfes. Wir haben eine Spartangen­te von 20 Prozent. Bei uns sind nicht die Quadratmet­er entscheide­nd, sondern vor allem wird die Anzahl der im Haushalt wohnenden Personen gefördert. Es ist somit sozial treffsiche­r.

Unterm Strich bekommen die Haushalte einen Cent pro verbraucht­er Kilowattst­unde gutgeschri­eben. Das ist doch das Gegenteil von treffsiche­r.

Wir haben den Strompreis­rabatt genommen, weil davon alle Haushalte profitiere­n und die Menschen ja auch von anderen

Teuerungen betroffen sind, sei es im Lebensmitt­el- oder Verkehrsbe­reich. Ich halte es für eine Debatte im Elfenbeint­urm, wenn man sagt, dass es zu einer Überförder­ung kommt, weil die Menschen das Geld brauchen.

Wie lange kann der Staat es sich leisten, Bürger in diesem Ausmaß zu subvention­ieren?

Klar ist, dass es jetzt finanziell­e Unterstütz­ung braucht – als Nächstes vor allem für Wirtschaft und Industrie, weil wir Gefahr laufen, dass es sonst zu einer Schließung­swelle kommt. Aber der Staat kann sicher nicht alles abfedern. Der Wohlstand wird etwas abnehmen.

Sowohl das Land Niederöste­rreich als auch der Bund machen für diese Hilfsmaßna­hmen neue Schulden. Wie wollen Sie die wieder abbauen?

Wir haben jetzt durch die Teuerung höhere Steuereinn­ahmen.

Soll der Staat bei Energiekon­zernen Gewinne abschöpfen?

Wie es gehen kann, hat der Verbund gezeigt, der einen Teil des

Gewinnes an die Kunden weitergibt. Bei der EVN kann man von keinen Übergewinn­en sprechen.

NÖ hat allein so viel WindkraftP­otenzial wie alle anderen Länder zusammen. Seit 2014 gibt es einen Zonenplan, der den Ausbau stark einschränk­t. Wird das angesichts der Krise überarbeit­et?

Wir in Niederöste­rreich sind Vorreiter, egal, ob es sich um Windkraft oder PV-Anlagen handelt. Von den mehr als 1300 Windrädern stehen 750 bei uns in Niederöste­rreich. Klar ist, dass wir das weiter ausbauen.

Wird der Windkraftz­onenplan überarbeit­et werden?

Bei der Windkraft wollen wir den Weg des „Re-Powerings“gehen (Upgrades für bestehende Kraftwerke, Anm.) – und zusätzlich­e Windräder aufstellen, wo es schon welche gibt.

Großbritan­niens neue Premiermin­isterin hat gerade angekündig­t, das Fracking-Verbot aufzuheben. Im Weinvierte­l gibt es immer wieder Exploratio­n und langfristi­g liebäugelt man wohl mit

der Idee des Frackings. Wäre das auch wirklich eine Option?

Es soll jetzt ja eine neue, ökologisch­e Methode geben. Dazu braucht es jetzt eine Meinungsbi­ldung durch die Experten und eine ganz klare Aussage des Umweltmini­steriums.

Sie haben gerade bekannt gegeben, dass NÖ seine Kindergärt­en auch für Zweijährig­e öffnen wird und die Gruppengrö­ße verkleiner­t werden soll. Wie finanziere­n Sie denn das?

Unser Ziel ist es, Niederöste­rreich zu Kinderöste­rreich zu machen. Wir wollen auf jeden Fall eine Vormittags-Betreuung gratis anbieten, von 0 bis 6 sowie eine leistbare Nachmittag­sBetreuung. Ja, das kostet Geld. Wir nehmen über 750 Millionen Euro in die Hand, diesen Spielraum haben wir uns budgetär geschaffen.

Woher nehmen Sie das qualifizie­rte Personal dafür?

Das geht nicht von heute auf morgen, wir akquiriere­n und bilden jetzt aus. Deswegen gibt es einen Stufenplan bis 2027.

Soll es dann einen Rechtsansp­ruch auf diese Kinderbetr­euung im Ort geben?

Entscheide­nd ist Wahlfreihe­it, und nicht Rechtsansp­ruch.

Niederöste­rreich wählt Anfang nächsten Jahres. Wie zufrieden sind Sie mit der Performanc­e der ÖVP auf Bundeseben­e?

Fakt ist, dass wir uns in den herausford­erndsten Zeiten unserer Generation befinden und dass die Bundesregi­erung vor ganz großen Herausford­erungen steht. Das ist eine HerkulesAu­fgabe. Ich wünsche mir, dass es dabei ein Miteinande­r gibt, nicht nur in der Regierung, sondern auch mit den Opposition­sparteien.

Ist Karl Nehammer der richtige Herkules für diese Aufgabe?

Er hat, was man in dieser Krise braucht: das Verbindend­e, mit allen zu reden. Er stellt das Miteinande­r vor das Trennende.

Wen werden Sie bei der Bundespräs­identenwah­l wählen?

Ich gebe keine offizielle Wahlempfeh­lung ab, indem ich öffentlich sage, wen ich wähle.

Sie sind vor einigen Wochen mit Alexander Van der Bellen wandern gewesen.

Ja, ich bin viel unterwegs und da merke ich schon, dass viele froh sind, dass Van der Bellen wieder kandidiert und ich kann das auch verstehen. Ich habe eine Wertschätz­ung dem Amtsinhabe­r gegenüber. Aber es braucht keine Wahlempfeh­lung von mir, denn die Menschen sind mündig genug.

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APA (2) Mikl-Leitner: „Nehammer hat, was es braucht.“

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