Inflation lässt Schwarzarbeit wieder blühen
Die einen versuchen, ihr Gehalt durch Pfusch aufzubessern, die anderen Geld zu sparen. Die Schattenwirtschaft hat wieder Konjunktur – manche Branchen sind besonders betroffen.
Die auf breiter Front steigenden Preise wirken sich auch auf die Schwarzarbeit aus. Der Pfusch „blüht wieder“, wie es Hermann Talowski ausdrückt. Der Unternehmer und Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der steirischen Wirtschaftskammer führt die Entwicklung vor allem auf die Inflation zurück, „dabei können die Betriebe die Kostensteigerungen gar nicht voll an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben und tun das auch nicht“. Das drücke die ohnehin geringen Margen weiter nach unten. „Wir bereichern uns nicht an dieser Situation, daher wollen wir auch die Kundinnen und Kunden um Fairness bitten.“
Kärntens Spartenobmann für Gewerbe und Handwerk Klaus Kronlechner stellt indes fest, dass Jüngere deutlich seltener pfuschen als die Vorgängergenerationen: „Ältere am Bau sind weiter am Pfusch interessiert, etwa Elektriker und Baunebenhat gewerbe, während die Jüngeren mehr Wert auf Work-Life-Balance legen.“Aktuell sei die Zahl der Anzeigen noch gering, im Herbst könne der Pfusch aber wieder zunehmen.
Die Beobachtungen der Branchenvertreter decken sich auch mit den Daten von Friedrich Schneider. Er forscht seit vielen Jahren an den volkswirtschaftlichen Effekten von Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit. Seinen Ausblick für dieses Jahr
er mittlerweile überarbeitet. Zu Jahresbeginn war Schneider von einem Rückgang ausgegangen, „das musste ich revidieren“, betont er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. In seiner aktuellen Grobschätzung gehe er – sowohl für Österreich als auch für Deutschland – davon aus, dass „die Schattenwirtschaft in beiden Ländern wieder zunimmt“. Hauptgründe: die Energie-Krise und die Teuerung. „Die real verfügbaren Einkommen der Haushalte
aufgrund steigender Inflationsraten und hoher Energiepreise.“Daraus resultiere ein stark steigender Anreiz, der auf zwei Ebenen wirke: Die eine Seite versuche, sich das Gehalt durch Schwarzarbeit aufzubessern, die andere, durch die Inanspruchnahme von „Pfuschern“, Geld zu sparen. Wobei sich die Teuerung und auch der Fachkräftemangel laut Schneider auch auf die Preise für Schwarzarbeit auswirken, diese würden ebenfalls merkbar steigen. Laut Kronlechner „langen jetzt auch die Pfuscher zu – unter 50 Euro die Stunde passiert da nichts mehr. Viele denken daher nach, ob es sich auszahlt, jemanden schattenmäßig zu beschäftigen – ohne Garantie und Gewährleistung“.
Die am stärksten von der Schattenwirtschaft betroffenen Branchen seien weiterhin das Baugewerbe und Handwerksbetriebe – fast 40 Prozent entfallen auf diesen Bereich – sowie haushalts- und körpernahe Dienstleistungen und die Unterhaltungsund Vergnügungsbranche. „Der Pfusch bei Friseuren und Masseuren hat sich mit Corona verstärkt – und ist seither nicht weniger geworden“, weiß Kronlechner. Häufig anzutreffen sei Schwarzarbeit auch im Rahmen von sogenannten „Gewerbeübertretungen“, wenn also etwa ein Hausbesorger Installations- und Maurerarbeiten durchführt. „Das ist aber oft nur schwer nachvollziehbar“, erklärt Kronlechner.
In Zahlen ausgedrückt, rechnet Schneider in seiner Grobschätsinken zung, dass das Volumen der Schattenwirtschaft in Österreich heuer um rund 900 Millionen Euro auf 28,72 Milliarden Euro steigen wird – das entspricht in etwa 6,8 Prozent der prognostizierten Gesamtwirtschaftsleistung in Österreich (das ist EU-weit jedoch der niedrigste Wert).
Im Februar war Schneider aufgrund der wirtschaftlichen Erholung noch von einem Rückgang des Schwarzarbeitsvolumens von 4,3 Prozent auf 26,62 Milliarden Euro ausgegangen.
Dämpfend wirken übrigens die (geplanten) staatlichen Steuerentlastungen, ohne die würde der Pfusch heuer sogar um 1,8 Milliarden Euro zunehmen.
Die Berechnungen von Friedrich Schneider beruhen auf vier Annahmen: eine Inflationsrate von rund acht Prozent, kein kompletter Gaslieferstopp in diesem Jahr, keine Ausweitung des Krieges und keine weitere Verschärfung der Lieferkettenproblematik.
Die Annahme, dass die Schwarzarbeit abnimmt, musste revidiert werden. Sie steigt in Österreich und Deutschland. Friedrich Schneider