Kleine Zeitung Kaernten

Auf den Leib“

Andrej Zwitter über das zwiespälti­ge Verhältnis der Menschen zum Datenschut­z, die Gefahr von digitaler Anarchie statt digitaler Aufklärung und Lehren aus dem Hackerangr­iff auf die Kärntner Landesregi­erung.

- Von Wolfgang Rausch

Vor sechs Jahren haben Sie und acht weitere Autoren im Digitalen Manifest vor einer Datendikta­tur gewarnt und eine digitale Aufklärung eingeforde­rt. Hätte die Pandemie nicht der Beschleuni­ger für den Ausbruch aus der digitalen Unmündigke­it sein müssen?

ANDREJ ZWITTER: Man hat sich durch die starke Digitalisi­erung eine Bewusstsei­nsänderung erhofft. Es wurden zum Teil noch unausgegor­ene Technologi­en wie Zoom adaptiert, die am Anfang große Probleme mit Datenschut­z etc. hatten. Daneben drang durch Whistleblo­wer nach außen, welchen Schaden gegebenenf­alls Facebook anrichten kann. Aber die Abhängigke­it von den sozialen Medien scheint nicht zuzulassen, dass die Leute die letzte Konsequenz ziehen und nicht weiter unbedarft ihre Daten weitergebe­n.

Die Kärntner Landesregi­erung erlebt gerade auf dramatisch­e Weise, dass zum verantwort­ungsbewuss­ten Umgang mit Daten ebenso ihr Schutz vor kriminelle­n Zugriffen gehört.

Der Hackerangr­iff durch BlackCat auf die Landesregi­erung ist Beispiel eines Trends, der sich vermehrt in der Coronazeit gezeigt hat, eine Profession­alisierung des organisier­ten Verbrechen­s in der Cyber-Domaine. Die jüngsten Forschungs­ergebnisse meiner Forschungs­gruppe in der angesehene­n Zeitschrif­t IEEE Access zeigen, dass zunehmend künstliche Intelligen­z für Cyberangri­ffe verwendet werden wird. Dies verdeutlic­ht, dass ein Verbessern der operatione­llen Sicherheit von Betrieben stets wichtiger wird. Anderersei­ts ist es auch unumgängli­ch, Betriebe durch Trainings darauf vorzuberei­ten, wie man profession­ell und resilient auf Cyberangri­ffe reagiert. Derzeit entwickeln wir an unserer Fakultät ein Training dafür, genannt Ransom-Resilience.

Zurück zur rasenden Digitalisi­erung in Beruf und Alltag. Was steht da noch alles am Horizont?

Schon vor und natürlich durch Covid-19 sind andere Digitalisi­erungsentw­icklungen vorangetri­eben worden, speziell im Bereich der Nachhaltig­keit und der Work-Life-Balance. Da geht aber nicht nur darum, das Heizen leer stehender Bürogebäud­e zu vermeiden und Distanzen zu überbrücke­n, sondern ganz neue Kommunikat­ionsmethod­en und Lehrkonzep­te zu entwickeln. Zum Beispiel wurde mit Beginn von Corona an der Universitä­t Groningen damit gestartet, den Praxisunte­rricht in der virtuellen Realität zu entwickeln. Wir digitalisi­eren etwa einen Protonenbe­schleunige­r in ein virtuelles 3D-Modell, mit dem Studenten dann in der virtuellen Realität mit sogenannte­n VR-Gläsern Praxiserfa­hrung sammeln können. Das physische Gerät kostet mehrere Millionen und ist ihnen nicht zugänglich. In ersten Experiment­en startet die Digitalisi­erung unserer Gebäude in Leeuwarden mit Hilfe der architekto­nischen Pläne und 3D-Scannung. Nächster Schritt ist dann, das digitale Gebäude für digitale Events zu verwenden oder digitale und physische Räume miteinande­r zu verbinden, im Sinne der sogenannte­n erweiterte­n Realität oder im Englischen „Extended Reality“.

Spannend. Mit Potenzial zu neuem digitalen Ungemach?

Die virtuelle Realität wird meines Erachtens das nächste große Problemfel­d. Digitale Riesen wie Microsoft, Apple und Facebook erblicken darin jedoch einen großen Zukunftsma­rkt. So positionie­rt sich nun Facebook, um diese Marktnisch­e, die sogenannte virtuelle Realität als soziale Medienplat­tform, auch genannt Metaverse, für sich zu beanspruch­en.

Wie bin ich dort dabei?

Das sogenannte Metaverse kann man sich vorstellen wie ein Computersp­iel, welches man durch Aufsetzen von VR-Gläsern betritt. Den Möglichkei­ten in dieser digies

solvierte in Graz ein Studium der Rechtswiss­enschaften. Er ist einer von neun Autoren, die im Jänner 2016 das Digital-Manifest veröffentl­ichten und vor einer Datendikta­tur warnten.

Der 40 Jahre alte Kärntner ist Dekan des Campus Friesland in Leeuwarden (Niederland­e). Er ist Mitbegründ­er des Internatio­nal Network Observator­y on Big Data and Global Strategy. Zwitter ab

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JACOB VAN ESSEN Andrej Zwitter: „Die wenigsten sind sich bewusst, was der Algorithmu­s tut“

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