Darf nie mehr passieren“
Bedrohte Ärzte: Kristina Köppel-Klepp kannte die verstorbene Lisa-Maria Kellermayr gut und erzählt aus dem Alltag der beiden. Zwischen Hass, Drohungen und Ängsten, weil man für die Covid-Impfung eintritt. Ein Protokoll, Lisa gewidmet.
Ich habe Lisa in unserer Ärztegruppe kennengelernt, sie gehörte zu den Vorreiterinnen, betreute von Anfang an Hunderte Covid-Patientinnen und -Patienten in Oberösterreich und teilte ihre Erfahrungen in unserer Gruppe und in den sozialen Medien.
Sie war eine wahnsinnig engagierte und kompetente Kollegin, sie erzählte mir von ihrer Ordination, die sie mit Liebe geplant hatte, ihrer Zukunft, mit Familienplanung irgendwann – und auch über ihre Erfahrungen im Netz, über Hassmails und Bedrohungen. Seitdem waren wir in regelmäßigem Kontakt.
Als Anfang des Jahres 2022 die Lage rund um Corona eskalierte und zahlreiche Ärztinnen und Ärzte im Spannungsfeld der politischen ebenfalls Drohmails erhielten, war unter anderem auch ich betroffen, nachdem ich die Lichtermeererklärung initiiert hatte und die Ärztegruppe im Fokus von Verschwörungstheoretikern landete. Lisa und ich tauschten uns aus, sie ging den mutigen Weg der Auseinandersetzung und wollte sich nicht unterkriegen lassen. Sie erzählte mir von zahllosen Treffen und Telefonaten mit Behörden/ Medien, und war einerseits verzweifelt und andererseits voller Hoffnung, etwas erreichen zu können. Und sie hatte Angst. Angst vor den zahlreichen E-Mails, Angst vor aggressiven Patienten in der Ordination und sie erzählte mir, dass sie immer wieder heimlich mit einem Handy aufgenommen wurde, wenn sie ihre Impfempfehlungen aussprach.
Nachdem ich auch sehr „nette“Post bekam und in Telegram-Gruppen verunglimpft, als Kinderschänderin und Teufelsärztin bezeichnet und offen diskutiert wurde, wie ich als Mutter Kinder impfen kann, nahm
Protokolliert von Didi Hubmann
ich Kontakt mit der steirischen Ärztekammer auf. Mein Lebensgefährte unterstützte mich bei der Polizeibehörde. Vonseiten der Ärztekammer hieß es, dass ich mich aus allem zurückziehen soll, ich wurde ernst genommen und es wurde mir juristische Unterstützung angeboten. Auch vonseiten der Polizei wurde reagiert. Ich hatte im Gegensatz zu Lisa das Gefühl, ein Netzwerk um mich herum zu haben, das mich auffangen würde.
Der letzte Kontakt mit Lisa war Anfang Juli, sie erzählte mir stolz, dass sie jetzt hoffte, endlich ernst genommen zu werden, nachdem sie so eine große Aufmerksamkeit erzielt hätte. Es war wie ein letzter, großer Hilfeschrei, sie wollte die Ordination unbedingt retten. Nachdem sie die Praxis geschlossen hatte, kontaktierte ich sie und wollte ihr helfen, sie überreden, in die Steiermark zu kommen. Aber da hatte sie schon aufgegeben. Dass sie sich das Leben nehmen wollte, das habe ich leider nicht gespürt. Wir hatten ausgemacht, dass ich sie nach meinem Urlaub konDiskussionen taktiere. Leider kam es nicht so weit.
Lisas Tod ist umso tragischer, weil er verhindert hätte werden können. Verhetzungen, Drohungen betreffen nicht nur Ärzte, Hass im Netz ist überall. Wir brauchen Anlaufstellen. Die Ärztekammern werden sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen. Es braucht Unterstützung durch Behörden, Polizei und psychologische Beratung, wie man mit Anfeindungen, Bedrohungen umgehen und sich davon distanzieren kann. Lisa war diesbezüglich alleine. In Wirklichkeit war es nicht nur die Bedrohung im Netz, es war vor allem, dass sie keinen behördlichen Rückhalt erhalten hatte. Außerdem wurde ihr öffentlich in den Rücken gefallen, mit dem lapidaren Statement, man werde schnell eine Nachfolgerin finden und sie solle nicht so viel twittern, die Öffentlichkeit meiden.
Lisa wurde am 29. 7. tot in ihrer Ordination aufgefunden. So etwas wie der Tod von Lisa darf einfach nie mehr passieren, das bin ich ihr schuldig.