Das Klima der Macht
Die Wiener SPÖ demonstriert vor dem Parteitag ihre Macht gegenüber Klimaschützern, auch in ihren eigenen Reihen. Dabei lohnt sich ein Blick in die jüngere Geschichte.
Die Wiener SPÖ weiß, wie Macht funktioniert. Seit 1945 regiert sie in der Hauptstadt, über weite Strecken mit absoluter Mehrheit. Erst seit 2010 muss sie mit kleineren Parteien koalieren, zuerst mit den Grünen, jetzt mit den Neos. Auch die Koalitionspartner bekommen die rote Macht regelmäßig zu spüren. Genau wie jene Klimaschützer, die vor dem morgigen Parteitag demonstrieren wollten, bei der Anmeldung der Demo aber erfahren mussten, dass bereits eine andere Kundgebung am selben Ort registriert ist: und zwar von der SPÖ selbst.
Die Macht bekommt auch die eigene Parteibasis zu spüren, wenn am Parteitag der Bau der umstrittenen Stadtstraße, die seit bald einem Jahr für Proteste, Besetzungen und landesweite Aufregung sorgt, mit einer innerparteilichen Mehrheit abgesegnet werden soll. Vorausschauend wurde diese Forderung in einem Leitantrag ausformuliert – in der Hoffnung, dass er hohe Zustimmung und damit Argumentationsgrundlage für die Parteispitze bringt.
Das dürfte für Debatten sorgen. Denn ein anderer Antrag, eingebracht von der „Jungen Generation“, die für 18- bis 38Jährige spricht, und einer Bezirksorganisation, will genau das Gegenteil – nämlich ein klares Nein zu allen umstrittenen Straßenbauprojekten. Die Jungen bringen dafür plausible Argumente vor: Der Bau hochrangiger Autostraßen fördere zwar Standorte an der Stadtgrenze und im Umland, führe aber oftmals nicht zu zusätzlichen Betrieben, sondern nur zu Umsiedelungen – aus den Ortskernen in Einkaufszentren etwa. Wer Autostraßen baut, fördere tendenziell Besserverdiener und benachteilige Menschen, die wenig verdienen. Und mehr Straßen – das ist durch zahlreiche Studien belegt – bedeuten mehr Verkehr.
Aber was kann ein einzelner Antrag, eingebracht von Jungen und einem kleinen Bezirk, in einer mächtigen Organisation wie der Wiener SPÖ schon bewirken? Es lohnt ein Blick zurück ins Jahr 2011. Damals stellten zwei Bezirksorganisationen einen wenig aussichtsreichen Antrag: Das „kleine Glücksspiel“, also Spielautomaten, sollten verboten werden. Jedes Jahr spülte es damals 55 Millionen Euro in die Wiener Steuerkasse. Und zerstörte unzählige Existenzen. in junger Funktionär, der damals 28-jährige Nikolaus Kowall, hielt am Parteitag eine Brandrede über die soziale Verantwortung der Sozialdemokratie: „In kaum einer anderen Frage ist aus sozialdemokratischer Perspektive so glasklar, was richtig und falsch ist, wie beim kleinen Glücksspiel“, sagte er am Ende. Als der Antrag zur Abstimmung kam, hoben so viele Delegierte die Hand, dass nicht einmal nachgezählt werden musste. Mittlerweile ist das „kleine Glücksspiel“nicht nur in Wien, sondern auch in Salzburg, Tirol und Vorarlberg verboten.
Die SPÖ ist – nicht nur in Wien, nicht nur im aktuellen Umfragehoch – eine machtbewusste Partei. Aber sie ist nicht mächtiger als die Überzeugungen ihrer Basis.
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