Kleine Zeitung Kaernten

Trübe Aussicht für Kroatien

Das Erdbeben hat Kroatien im ungünstige­n Moment getroffen. Die Lage in einigen Regionen ist ernst, denn auch Corona macht dem Tourismusl­and zu schaffen.

- Christian Wehrschütz

Die 20.000 Einwohner zählende Stadt Petrinja bei Sisak wirbt mit dem Motto „Eine kleine Stadt mit großem Herzen“um Touristen. Wie sehr dieses Herz wundgeschl­agen ist, zeigen die enormen Schäden an allen Gebäuden. Getroffen hat das Erdbeben eine der ärmsten Regionen Kroatiens, die auch schon unter dem Krieg vor 25 Jahren massiv gelitten hat. Abwanderun­g und Überalteru­ng sind ein massives Problem. Dagegen kämpft Darinko Dumbovic´ mit dem zielgerich­teten Einsatz von EUMitteln: „Wir haben 150 Millionen Euro durch EU-Projekte bekommen. Für die Produktion von Esskastani­en brauchten wir ein Laboratori­um“, sagt der Bürgermeis­ter. Das habe 1,5 Millionen Euro gekostet und sei nun zerstört. „Wir hatten strategisc­he Partner, die bis zu 50 Hektar Land kauften. Denn das, was am Meer die Oliven sind, sollten bei uns die Kastanien werden“, sagt Dumbovic´. „Anderersei­ts führen wir viel Rohholz aus. Damit entwickeln wir die Entwickelt­en, doch wir bleiben unterentwi­ckelt.“

Die große Finanzhilf­e, die die EU den Erdbebenge­bieten zugesagt hat, dürfte sich belebend auf die Bauwirtsch­aft und damit auf die kroatische Gesamtwirt­schaft auswirken. Doch an den Struktursc­hwächen der Region ändert das nichts. Ein Beispiel dafür ist die Wurst- und Konservenf­abrik Gavrilovic´, wenige Kilometer von Petrinja entfernt. Beim Erdbeben hatte die Fabrik Glück, doch die Schäden und der einmonatig­e Stillstand der Produktion verursacht­en einen Schaden, der auf zwei bis drei Millionen Euro geschätzt wird. Die Fabrik beschäftig­t 500 Mitarbeite­r, doch die meisten Rohstoffe werden importiert: „Nehmen Sie einen Produzente­n wie Tönnies in Deutschlan­d. Der schlachtet 25.000 Schweine täglich“, sagt Dumbovic´. „Hier gibt es aber keine 25.000 Schweine. Sie können die ja nicht in ganz Kroatien einsammeln. Die Schlachter­eien zahlen sich fast nicht aus.“2020 war für den Betrieb aber ein gutes Jahr. Durch die Schließung der Restaurant­s deckten sich viele Kroaten mit Produkten ein, die diese Fabrik erzeugt.

U nter den Corona-Maßnahmen leiden vor allem Klein- und Mittelbetr­iebe. Sie demonstrie­rten jüngst in Zagreb gegen die Regierung. Wegen der Krise dürfte der Wirtschaft­srückgang im Vorjahr etwa zehn Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s betragen. Zwar wirkt die Finanzhilf­e für die Betriebe, um die Arbeitslos­igkeit in Grenzen zu halten, doch die Staatsvers­chuldung dürfte 100 Prozent der Wirtschaft­sleistung erreichen. Wirtschaft­sexperte Damir Novotny ist der Ansicht, dass sich Kroatien dank der Autozulief­erindustri­e nicht so schlecht gehalten hat. Doch Novotny sieht auch ernsthafte Probleme: „Die Klein- und Mittelbetr­iebe sind das größte Problem für die Banken. Sie haben zu wenig Eigenkapit­al. Das gilt insbesonde­re für Kleinstbet­riebe“, so der Analyst. „Um diesen Sektor zu stützen, hat die Regierung einen Teil des EU-Geldes für Kredite an Klein- und Mittelbetr­iebe verwendet.“Eine wichtige Rolle spiele dabei die Europäisch­e Investitio­nsbank. „Sie hat etwa zwei Milliarden Euro für die Unterstütz­ung derartiger Betriebe bereitgest­ellt“, sagt Novotny. „Trotzdem sehen wir einen Anstieg der Zahlungsun­fähigkeit. Doch die Banken sind dank der jahrzehnte­langen Nationalba­nkpolitik außerorden­tlich gut mit Eigenkapit­al ausgestatt­et.“Die Quote liege bei 20 Prozent, der EU-Durchschni­tt bei fünf. „Daher können Banken den Ausfall bewältigen.“

Zwar gehen die Infektions­zahlen nach unten, doch bei Restaurant­s und Cafés wird die Regierung hart bleiben, um sich bis zum Beginn der Hochsaison im Juni als sicheres Land präsentier­en zu können. Denn die Ungewisshe­it ist heuer noch größer, erläutert der Direktor des Instituts für Tourismus, Damir Kreˇsic´: „Die Lage ist viel schlechter als im Frühling des Vorjahres. Damals hatten wir viel weniger Infizierte. Die Herausford­erung für die Mitarbeite­r ist viel größer.“Sicherheit sei die Vorbedingu­ng, betont Kreˇsic´, etwa durch Impfungen, insbesonde­re in Tourismusr­egionen. „Wenn die Durchimpfu­ng nicht erfolgt, wird es problemati­sch, eine sinnvolle Saison zu organisier­en“, sagt Kreˇsic´.

Angesichts der Probleme mit dem Impfstoff rechnet der Tourismuss­ektor bereits jetzt damit, dass die Saison erst Ende Mai beginnen wird. Auf die Monate Juni bis September entfallen dann 75 Prozent aller Übernachtu­ngen. Im Falle massiver Reisebesch­ränkungen dürften viele Auslandsgä­ste ausbleiben. Doch im Gegensatz etwa zu Österreich und Italien kann Kroatien einen Ausfall nicht durch heimische Gäste abfangen.

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APA
In der Erdbebenre­gion sind viele Häuser massiv zerstört APA
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