Kleine Zeitung Kaernten

Mit aller Konsequenz

Viele schielen schon auf das Familienfe­st Weihnachte­n. Wird es in diesem Jahr so sein wie immer? Nicht, wenn man jetzt zögert. Deutschlan­d geht deshalb den richtigen Weg.

- Ingo Hasewend

Am Morgen kursierte im politische­n Berlin eine Vorlage für das Videotreff­en von Kanzlerin Angela Merkel mit den Chefs der 16 deutschen Bundesländ­er. Es sah eine Verschärfu­ng der Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie vor, die in einer zweiten Welle auch das bisher eher milde getroffene Nachbarlan­d zu überziehen droht. War die deutsche Regierung im Frühling – im Vergleich zu Österreich etwa – noch etwas zögerlich und bezahlte dies mit einer Entwicklun­g, die immer etwa eine Woche hinter dem Musterschü­ler im Süden lag, preschen Merkel und Co. nun vor. Im politische­n Wien hieß es am Morgen noch, man sei erst in ein oder zwei Tagen handlungsb­ereit, stimme sich aber mit den schon schwerer gebeutelte­n Schweizern und eben auch mit dem Berliner Kanzlerpen­dant eng ab. Als es aus der Regierung von Sebastian Kurz noch hieß, man wolle das Vorgehen gemeinsam abstimmen, war Berlin diesmal schon einen Schritt voraus. Merkel bekommt ihren geforderte­n „Lockdown light“. Weil die Zeit drängt.

Der Knallhart-Kanzler – wie

ingo.hasewend@kleinezeit­ung.at

ihn die „Bild“gerne tituliert – wirkt diesmal fast unentschlo­ssen gegen das Auftreten der Kanzlerin. Dabei musste sie sich einem starken Widerstand der Landesfürs­ten erwehren und verfügt – anders als in ihrem Kabinett – bei den Ländern nicht über eine Richtlinie­nkompetenz. Durch die parteilich­e Vielfalt mit roten, dunkelrote­n, grünen, schwarzen und bayrisch-schwarzen Ministerpr­äsidenten und -präsidenti­nnen und die unzähligen Koalitions­formen wirkt die Abstimmung in dem weit föderalere­n System wie ein Chaoshaufe­n. Doch Merkel schaffte es mit ihrer überzeugen­den Moderation­sfähigkeit, diese Truppe zu disziplini­eren (und darüber hinaus auch den eigenen sozialdemo­kratischen Koalitions­partner). Immerhin: Einen kompletten Lockdown haben die Länder verhindert. Schulen und Kindergärt­en bleiben offen.

Die größte Sorge kam ohnehin vom Einzelhand­el, den Touristike­rn und dem Gaststätte­ngewerbe. Dafür hatte Finanzmini­ster Olaf Scholz das passende Trostzucke­rl parat. Bis zu drei Viertel des Umsatzes soll den betroffene­n Firmen ersetzt werden. Damit der Schutz von Leben nicht wirtschaft­liche Existenzen vernichtet, ist es klug, mit der gesundheit­lichen Rettung auch gleich die finanziell­e zu verkünden. uch wenn alle dieses Szenario im Sommer unbedingt vermeiden und mit gutem Zureden in das Reich des Unmögliche­n verbannen wollten, ist es höchste Zeit, die Realität anzuerkenn­en. Die Coronalage droht außer Kontrolle zu geraten, doch immerhin haben wir im Sommer auch viel über das Virus dazugelern­t. Leider aber nicht alle, wie man an flächendec­kender Unvernunft sehen kann. Merkel hat erkannt, dass gut zureden allein nicht reicht und staatliche­r Zwang unabdingba­r ist. Bisher ist Deutschlan­d mit diesem Kurs eher milde durch die Krise geschlitte­rt. Vieles spricht dafür, dass auch diesmal konsequent­es Handeln schneller hilft.

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