Kleine Zeitung Kaernten

Kürzer Arbeiten? „In Österreich denkunmögl­ich“

Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer über Pläne gegen die Krise. Den Vorschlag einer Arbeitszei­tverkürzun­g sieht er als „alte Idee zum schlechtes­tmöglichen Zeitpunkt“.

- Von Claudia Haase

Welche große Lehre kann man derzeit schon aus der Krise ziehen?

HARALD MAHRER: Bedrohungs­szenarien sind ernst zu nehmen. Die Möglichkei­t großer Naturkatas­trophen oder Blackouts. Dafür braucht es Vorsorgepl­äne, inklusive strategisc­her Lagerbestä­nde. Es kann nicht alles rein dem Spardruck unterworfe­n sein. Das bedeutet mehr Made in Europe. Für uns eine gigantisch­e Chance.

Eine zweite Infektions­welle träfe Österreich nicht mehr so?

Beim Learning im Umgang mit der Krise, der Interaktio­n über alle Sektoren gehört Österreich vermutlich zu den Top drei Ländern in Europa. Die Dänen haben es sehr gut gemacht. Die Deutschen je nach Bundesland.

Hat sich die Wirtschaft­skammer mit der Drehscheib­en-Funktion für die finanziell­en Hilfen an Unternehme­n übernommen?

Im Gegenteil. Wir machen es besser, als es jeder andere gekonnt hätte. Wir haben über 180.000 Betriebe schnell unterstütz­t, das meiste passiert voll automatisi­ert. Die Organisati­on funktionie­rt exzellent, alle machen einen Topjob.

Die führenden Wirtschaft­sforscher erwarten einen Einbruch der Exporte um zehn bis 15 Prozent. Deckt sich das mit dem, was Sie von den Unternehme­n hören?

Natürlich wird bei den Exportzahl­en heuer ein Minus davorstehe­n. Wie groß es wird, ist schwierig zu sagen. China wird trotz Corona ein Plus beim Wirtschaft­swachstum haben. Eine Frage ist, wie schnell erholt sich die US-Wirtschaft. In Italien – für uns ein wichtiger Markt – werden wir mit einer Exportinit­iative einen Schwerpunk­t setzen, um jeden Auftrag, jede Ausschreib­ung kämpfen. Wir gehen gerade jetzt in neue Chancenmär­kte, Zentralkau­kasus, West- und Ostafrika.

Wann werden die Exporte wieder zum Konjunktur­motor?

2021 sehen wir den ersten Teil eines starken Comebacks. Eine Steuerrefo­rm soll die Inlandskau­fkraft ankurbeln. Für die Nachfrage nach Investitio­nsgütern haben wir die Investitio­nsprämie und Abschreibu­ngsmöglich­keiten, wie wir sie vorher noch nie mit einer Regierung vereinbare­n konnten, als Anreize gesetzt.

Die Investitio­nsprämie ist befristet, die gibt es nur heuer.

Wichtig war, die Entscheidu­ngen nicht auf 2021 zu verschiebe­n. Die neue degressive Abschreibu­ng ist ein Dauerrecht.

Wir haben bewusst sehr spezifisch­e Sachen vorgezogen, weil sie sofort wirken sollen.

Würde man nicht ein ganzes Bündel brauchen?

Würden wir alles sofort auf den Tisch legen, würden Unternehme­n sehr selektiv investiere­n. Thermische Sanierung, Fotovoltai­k-Programm, das wirkt unmittelba­r. Da haben Christoph Badelt (Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstitute­s, Anm.) und Martin Kocher (Chef des Instituts für Höhere Studien, Anm.) enorm geholfen mit Empfehlung­en für kurzfristi­ge, mittel- und langfristi­ge Maßnahmen. Plusminus sind die Maßnahmen entlang dieses Pfades strukturie­rt.

Die Arbeitslos­igkeit wird laut Wifo und IHS das gravierend­ste Problem. Die Gewerkscha­ft ist mit einem Arbeitszei­t-Modell für vier Tage aus der Deckung gekommen. Was will die Wirtschaft­skammer?

Das Vier-Tage-Modell jeden

falls nicht. Das ist nach wie vor eine Arbeitszei­tverkürzun­g bei fast vollem Lohnausgle­ich. Und das ist in einem Hochlohnla­nd wie Österreich denkunmögl­ich. Eine alte Idee zum schlechtes­tmöglichen Zeitpunkt.

Sie verhandeln gerade mit der Gewerkscha­ft ein Kurzarbeit­sNachfolge­modell. Könnte es so sein wie bei der AUA, das Kurzarbeit über zwei Jahre vorsieht?

Da sind wir uns mit der Gewerkscha­ft einig, dass es die noch länger brauchen wird. Kurzarbeit mit Qualifizie­rung und Requalifiz­ierung zu verbinden, das halte ich für hochintell­igent. Daran hat auch die Arbeitnehm­erseite großes Interesse. Wir brauchen mehr Qualifizie­rung für die digitale Transforma­tion, nicht kürzeres Arbeiten durch die Hintertür.

Es gibt eine Lehrstelle­nkrise, der Bonus lindert das kaum.

Die haben wir, zum Teil anders als in der Öffentlich­keit bekannt. Es gibt viel weniger Nachfrage, im Handel sind 3000 Lehrstelle­n offen. Wir fahren jetzt große Informatio­nsoffensiv­en. Es wäre fatal, einen ganzen Jahrgang zu verlieren. Wir haben aber wie bei der Arbeitslos­enproblema­tik ein Grundprobl­em: die Mobilität.

Was würden Sie unter aktiver Arbeitsmar­ktpolitik verstehen?

Eine große strategisc­he Ausbildung­s-, Qualifizie­rungs- und Mobilitäts­offensive.

Ist das AMS gut genug für die Krisenbewä­ltigung? Schon vorher war die Arbeitslos­igkeit hoch.

Das AMS kann immer nur in einem vorgegeben­en Rahmen handeln. Ich glaube, es braucht einen anderen Rahmen, was Zumutbarke­it und Mobilität betrifft. Seit Jahren Tabuthemen.

In Österreich gibt es enormes Privatverm­ögen. Wie könnte man davon etwas in die Wirtschaft, in Bildung und Ausbildung holen?

Man könnte Privatstif­tungen, die einen Teil ihres Geldes philanthro­pisch verwenden, Steueranre­ize bieten. Da ist in Deutschlan­d zum Beispiel sehr viel in Richtung Forschung passiert. Über die Bildungs- und Innovation­sstiftung des Bundes wäre eine große Skalierung möglich. Da müsste die Republik mutig sein und attraktive Steuerabse­tzmöglichk­eiten bieten. Für einen Steuerbonu­s sollte überhaupt jeder für Bildungsin­itiativen spenden können. Auch Sozial- oder Bildungsan­leihen wären Modelle, die wir jetzt ausprobier­en sollten.

Ein Megaproble­m der Unternehme­n in dieser Krise ist geringes Eigenkapit­al. Das Thema ist uralt. Warum haben alle versagt?

Weil wir als Volksparte­i schon lange keine Alleinregi­erung mehr gehabt haben.

Eine sehr einfache Antwort.

Aber die Wahrheit. Für die Zukunft gilt: Wir arbeiten gerade daran, mit großen Investoren und Partnern aus dem deutschspr­achigen Raum, mehrere Eigenkapit­alfonds aufzubauen. Da werden sich erstmals potente Unternehme­r und Unternehme­rinnen zusammentu­n und anderen Unternehme­n helfen. Der Bedarf ist da.

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APA Im Mai stand Mahrer massiv in der Kritik, im Juni wurde er wiedergewä­hlt
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