Wird HIV nun heilbar?
In Brasilien wurde womöglich ein Mann von HIV geheilt – doch ein Experte warnt vor zu großer Euphorie.
Nach dem „Berliner Patienten“und dem „Londoner Patienten“wurde nun der dritte Fall eines Mannes bekannt, der womöglich von HIV geheilt wurde – im Unterschied zu den ersten beiden unterzog sich dieser Patient aus Brasilien aber keiner Knochenmarktransplantation, sondern wurde mit einem neuen Therapieschema behandelt. Der 34-Jährige wäre der erste Patient, der ohne eine Stammzellspende von HIV geheilt werden konnte.
Sein Patient weise seit über einem Jahr keine HIV-Antikörper mehr auf und könne daher als geheilt betrachtet werden, sagte Ricardo Diaz, Infektionsspezialist an der Universität São Paulo bei der internationalen Aids-Konferenz, die heuer nur digital stattfindet.
Der Patient bekam 2012 die HIV-Diagnose und galt als chronischer HIV-Patient. Zusätzlich zur Standardtherapie wurden ihm im Rahmen der Studie zwei zusätzliche antivirale Wirkstoffe sowie ein Vitaminpräparat verabreicht – insgesamt wurde der Mann in dieser Phase mit fünf HIV-Wirkstoffen behandelt, erklärt dazu Bernhard Haas, HIV- und Infektionsspezialist (Kages). Danach folgten weitere zwei Jahre mit Standardtherapie, danach wurden alle Medikamente abgesetzt. Jetzt – 67 Wochen nach Ende der Therapie – ist das Virus im Körper weiterhin nicht nachweisbar, alle HIV-Tests waren negativ. Auch zeigte der Mann keine gesundheitliche Verschlechterung.
Ist nun die Heilung für alle HIV-Infizierten greifbar? „Wie bei allen Jubelmeldungen muss man auch hier vorsichtig sein“, sagt Experte Haas. Zunächst müsse das, was bei diesem Patienten gelungen ist, bei anderen wiederholt werden.
Auch müsse dieser Patient weiter virologisch überwacht werden, um zu sehen, wie lange er tatsächlich frei von HIV bleibt. Weiters sei diese spezielle Therapie, die zum Einsatz kam, nicht für alle HIV-Patienten geeignet. Viele Einschränkungen also – und es stellt sich die Frage: Ist Heilung überhaupt notwendig? Schließlich ist HIV heute eine gut behandelbare chronische Erkrankung: HIV-Patienten müssen nur eine Tablette täglich nehmen – dadurch sinkt die Viruslast unter die Nachweisgrenze,
Betroffene sind bei wirksamer Therapie nicht mehr ansteckend und haben eine normale Lebenserwartung. „Trotzdem ist es wichtig, nach einer Heilung zu forschen“, sagt Haas, „da es der Krankheit ein Stück mehr das Stigma nimmt und Betroffenen Hoffnung gibt.“