Kleine Zeitung Kaernten

Die neue Pflicht zur Solidaritä­t

Beim Brexit setzt Europa auf Zeit, bei der Migration auf Solidaritä­t. Beides steht auf tönernen Füßen.

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Brüssel

Mehr Spielraum, mehr Luft zum Atmen – darum geht es jetzt im Finale der Brexit-Verhandlun­gen. Die Staats- und Regierungs­chefs wurden am Rande des EU-Gipfels in Brüssel nicht müde, Optimismus zu verbreiten. Ratspräsid­ent Donald Tusk hat „das Gefühl, dass wir einer endgültige­n Lösung näher gekommen sind“, Angela Merkel zitierte „Wo ein Wille, da ein Weg“und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sieht eine Lösung wenn „nicht in Tagen, dann in Monaten“. Er sprach damit eine mögliche Verlängeru­ng der an, die immer wieder aufgeworfe­n wurde. Sie würde „mehr Spielraum“geben, wie Kommission­schef Jean-Claude Juncker sagte. Um einen Ausstiegsv­ertrag – wie auch immer der ausschauen mag – kommt man aber nicht herum. Zuversicht­lich reiste auch Theresa May nach London zurück: Es werde einen „guten Deal“geben.

Doch gestern, am zweiten Tag des Treffens, drehte sich die Debatte einmal mehr um Migration. Dort ist zwar keine maßgeblich­e, aber doch eine spürbare Veränderun­g bemerkbar. Niemand spricht mehr von „Ausschiffu­ngsplattfo­rmen“, stattdesse­n will man die Zusammenar­beit mit nordafrika­nischen Ländern – oft genannt werden Ägypten und Marokko – intensiÜbe­rgangsphas­e vieren. Vorbild ist die Türkei. Ägypten etwa sollte vor der afrikanisc­hen Küste Flüchtling­e retten und dann nach Ägypten bringen, um so das Schlepperm­odell endgültig zu zerstören. Man räumt inzwischen zwar ein, dass der Flüchtling­sstrom im Vergleich zu 2015 um 95 Prozent zurückgega­ngen sei, aber der Ansatz für eine Lösung des Problems müsse außerhalb Europas

liegen, so Sebastian Kurz. Er tritt für das Konzept der „verpflicht­enden Solidaritä­t“ein, um den Streit um Aufnahmequ­oten zu beenden. Staaten, die keine oder wenige Asylwerber aufnehmen wollen, sollen im Gegenzug Geld oder nicht näher definierte andere Leistungen zur Verfügung stellen. Eine Variante, die zum Beispiel verhaltene Zustimmung von Parlaments­präsident Antonio Tajani findet, von anderen aber – etwa Italien und Rumänien – abgelehnt wird.

Besonders starker Gegenwind kommt aber von Angela Merkel, die zum österreich­ischen Vorschlag kühl anmerkte: „Ich glaube, dass wir es uns damit noch ein bisschen zu einfach machen.“Sie befürchtet, dass die meisten Staaten sich bevorzugt aus der Verantwort­ung freikaufen möchten. Dann blieben wieder die Mittelmeer­länder mit dem Problem zurück.

Beim Euro-Gipfel kam der aktuelle Budgetansa­tz Italiens zur Sprache, hier reagierte Sebastian Kurz mit überrasche­nd strengen Worten: „Wir erwarten, dass die Regeln eingehalte­n werden, die Maastricht­kriterien gelten für alle. Wir werden sicher nicht in Österreich für die Schulden anderer bezahlen und sicher nicht für linkspopul­istische Wahlverspr­echen.“Ein Brief der Kommission nach Italien sei schon unterwegs, einer des Ratsvorsit­zes werde folgen.

Gestern Abend begann der Asien-Gipfel, der vor allem eine Annäherung der Wirtschaft­sräume bringen soll.

 ?? APA ?? Alles wird gut. Nur wann? Theresa May, Jean-Claude Juncker
APA Alles wird gut. Nur wann? Theresa May, Jean-Claude Juncker
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria