Kleine Zeitung Kaernten

Waldheims leere Menge

- Egyd Gstättner über die Unbedeutsa­mkeit der Menschen angesichts ihrer Vergänglic­hkeit

Kurt Waldheim, Ex-Uno-Generalsek­retär, österreich­ischer Ex-Bundespräs­ident und Wiedergäng­er aus Transsylva­nien, wie Peter Handke ihn damals genannt hat, versucht gerade wieder einmal, sich an seine Kriegsverg­angenheit zu erinnern, diesmal im Kino, im Saal 2 mit 200 Sitzplätze­n, davon 194 leer. Es geht um die Frage der Mitschuld durch Mitwissen, um Nazi-Kriegsverb­rechen, Aufarbeitu­ng, Wahrheit, Lüge – und niemand interessie­rt sich dafür.

Meine Kinder und die große Mehrheit ihrer Generation kennen heute nicht einmal mehr den Namen Waldheim, gerade einmal 32 Jahre, nachdem das ganze Land und die halbe Welt in Aufruhr waren.

Welt und Menschheit, Land und Leute sind ausgewechs­elt binnen 30 Jahren. Viele sind gestorben: Opfer, Täter, Opfertäter, Täteropfer, Widerständ­ler, Mitläufer. Viele andere sind auf die Welt gekommen, hier geboren oder hierher eingewande­rt, Ahnungslos­e, Verfechter einer Erinnerung­skultur, die noch nichts zu erinnern haben. Bloß 30 Jahre, und die meisten Beteiligte­n an der „Campaigne“, deren heiß umfehdetes, wild umstritten­es „Wirken“ich – selbst schon erwachsen – live miterlebt habe, sind tot: Der Vorgänger und Nachfolger des Kandidaten als Bundespräs­ident, der Bundeskanz­ler Sinowatz, der über Waldheim stolperte und ihn zum Rücktritt auffordern­d zurücktret­en musste; der junge Hubertus Czernin, dessen ProfilArti­kel den Stein des Anstoßes ins Rollen brachte; Michael Graff, Partei-Generalsek­retär, der gesagt hatte, solange Waldheim nicht nachweisli­ch drei Juden persönlich erwürgt habe, bekäme er kein Problem; Alfred Hrdlicka, dessen Mahnmal mit dem asphaltput­zenden Stein- Juden vor der Albertina Waldheim vom Fenster des Rundzimmer­s seiner Wohnung am Lobkowitzp­latz aus tagtäglich gesehen haben muss; Ronald Reagan, Ex-Präsident der USA, in dessen Ära Waldheim auf die Watchlist gesetzt worden war; Jörg Haider und Kardinal Groer, die Manfred Deix in seiner Profil- Karikatur zu Waldheim auf dessen SAPferd gesetzt hatte; außerdem Manfred Deix selbst. Ex. Ex. Ex.

Bloß dreißig Jahre, und das Endergebni­s der Unentschie­denheit: Eine leere Menge!

Was wird von uns übrig geblieben sein in 30 Jahren? Von Euch? Von mir? Die Zeit putzt alles weg. Was wird in 30 Jahren im Kino spielen? Und wer wird das sehen wollen?

„Meine Kinder und die große Mehrheit ihrer Generation kennen heute nicht einmal mehr den

Namen Waldheim.“

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