Der Tanz mit Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin kam für 79 Minuten und ein Tänzchen zum „Arbeitsbesuch“bei der Trauung von Außenministerin Karin Kneissl in die Südsteiermark. Die Kritik hielt an.
Grrrrüß Gott. Danke. Auf Wiederrrrrschauen.“Fünf Worte für die Handvoll Schaulustige vor dem Restaurant Tscheppe auf der südsteirischen Weinstraße. Eine Widmung samt Herz für „Karin“und „Wolfgang“auf die Motorhaube des weißen VW Käfers, einem Gemeinschaftsgeschenk der Gäste, und schon entschwand der prominenteste Hochzeitsgast nach 79 Minuten in einer schwarzen Mercedes-Limousine, umringt von Sicherheitskräften, Richtung Flughafen. Fünf Worte, mehr hatte Wladimir Putin, Russlands Präsident und Gast der standesamtlichen Trauung von Österreichs Au- Karin Kneissl und des Unternehmers Wolfgang Meilinger, nicht für die österreichische Öffentlichkeit.
An die vier Stunden war Putin von Ankunft bis Abflug in der Steiermark gewesen. Vier Stunden, die reichten, um eine feine Hochzeit in der südsteirischen Idylle in einen halb offiziellen Staatsakt zu verwandeln. Auf rund hundert Hochzeitsgäste kamen mindestens ebenso viele Bodyguards und Hunderte Polizisten. Für Putins Tross wurde sogar die A 9 zwischen Kalsdorf und Vogau gesperrt. Unter jenen, die sich über den Aufwand freuten, war der Gamlitzer Bürgermeister Karl Wratschko. „Gamlitz kennt man nun im letzten Ort der Welt“, freute sich der langjährige ÖVP-Ortschef. Schon am Vormittag war er vor seinem Hotel im Ortskern, wo den Gästen steirische Hausmannskost kredenzt wurde, mehrmals vor die Kamerateams getreten.
Nicht nur der Bräutigam, auch viele der Gäste stammen aus der Südsteiermark. Verteidigungsminister Mario Kunasek hatte es ebenfalls nicht sonderlich weit. Andere reisten länger an, etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler HeinzChristian Strache und Infrastrukturminister Norbert Hoßenministerin fer. Auffällig in der Hochzeitsschar: der Generalsekretär des Ölkartells Opec, Mohammed Barkindo, in nigerianischer Landestracht.
Knapp vor 13 Uhr kam die Gesellschaft in Bewegung: Das Brautpaar fuhr in einer schwarzen Kutsche, gezogen von vier Pferden, hinauf in die Weinberge. Ein Teil der Gäste folgte auf geschmückten Traktor-Anhängern. Beim Nachbarn des Gasthauses Tscheppe, Schramms Wirtshaus, wurde die Kutsche angehalten – zum Anstoßen mit dem Brautpaar, selbstredend mit Wein.
Gegen 13.30 kam der Tross am Trauungsort an. Von außen war wenig vom Brautpaar zu sehen, zumindest für die Zaungäste. Unter ihnen waren Sylvia Krempl und ihr Sohn Julian. „Ich bin aber eh wegen dem Putin da. Und wegen der Polizei“, sagte der Zehnjährige. Enttäuscht wurde er nicht: Plötzlich kreisten Polizeihubschrauber über den Weinbergen. Schwarze Mercedes-Limousinen, einige mit russischen Kennzeichen, rasten die Weinstraße entlang, bevor Putin an der Seite von Kneissls Russland-Beauftragter Margot Kle- stil-Löffler ausstieg und der Trauungszeremonie, dem Festmahl und einigen musikalischen Einlagen beiwohnte.
Ein öffentliches Statement am Rande der Feier abgeben wollte von den Politikern nur Kunasek, gerade selbst (mit weit weniger Aufsehen) frisch verheiratet: „Österreich und Karin Kneissl zeigen damit, dass wir mit jedem reden. Dass wir im besten Sinne die Diplomatie wieder leben.“Der Besuch sei ein „Zeichen der Wertschätzung für Österreich“.
Kritik an dem aufwendigen Polizeieinsatz, den Putins Präsenz notwendig machte, weist Johann Gudenus, Klubobmann
der FPÖ im Nationalrat, zurück: „Jede linke Krawall-Demo kostet mehr“, sagt Gudenus zur Kleinen Zeitung – und die brächten Österreich nicht so viel wie Putins Besuch.
Kanzler Kurz empfing Putin vor der Trauung am Flughafen und fuhr in dessen Limousine mit ihm zurück. Seinem Sprecher zufolge besprachen die beiden – nach Abstimmung des aktuellen EU-Ratsvorsitzenden Kurz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und mit EUKommissionspräsident JeanClaude Juncker – auch Krisenherde wie die Ukraine, Syrien, Energiepolitik und das Verhältnis EU – Russland.
International fiel das Echo auf Putins Hochzeitsbesuch überwiegend kritisch aus: „The Bride Was a Dream in a Dirndl, but Putin Stole the Show“, titelte die „New York Times“(siehe Kasten unten).
Die schärfste Kritik war in den letzten Tagen aus der Ukraine gekommen: Außenminister Pawlo Klimkin hatte die Einladung des russischen Präsidenten als „interessante neue Form, die ein trauriges Lächeln hervorruft“, bezeichnet, ukrainische Parlamentarier hatten Österreich fortan jede Berechtigung abgesprochen, als neutraler Vermittler mit Russland aufzutreten.