Es nimmt kein gutes Ende
Die Reaktionen auf den Anschlag auf Venezuelas Präsidenten zeigen die linke Misere in Lateinamerika: Ganze Staaten sind zugrunde gerichtet, allen Seiten ist alles zuzutrauen.
Es sagt ja schon viel aus über die Lage in Venezuela, dass gleich nach den mysteriösen Explosionen von Caracas die einen „Mordanschlag“schreien und die anderen „alles nur Theater“rufen. Würde ein Präsident ein Attentat fingieren, um von seinem politischen und wirtschaftlichen Versagen abzulenken? Und woher nehmen Presse und Opposition die Chuzpe, einfach die offizielle Version infrage zu stellen, nur weil ein paar Feuerwehrmänner vielleicht keine Drohne am Himmel gesehen haben? Das Schlimme ist: Beiden Seiten ist so etwas zuzutrauen.
Aufklärung wird es vielleicht nie geben, beide Seiten werden auf ihren Versionen beharren, die Regierung des Linksnationalisten Nicolás Maduro wird weiter Gott und die Welt und vor allem Kolumbien und die USA beschuldigen, ihm nach dem Leben zu trachten. Und die bürgerliche Opposition in Caracas wird den Staatschef weiter für einen Scharlatan und pathologischen Lügner halten.
Diese Politkrimi-Episode zeigt aber, wie tief das Misstrauen beider Seiten gegeneinander im einstigen linken Vorzeige- land sitzt. Es gibt viele Kräfte in Venezuela, die halten es für legitim, Maduro mit Gewalt aus dem Weg zu schaffen. Das war übrigens schon so, bevor er das Land in die tiefste Wirtschaftsund Sozialkrise seiner Geschichte geführt hat. Und irgendwie traut man der Regierung mittlerweile ja auch tatsächlich alles zu, selbst die Fingierung eines Mordanschlags.
Das potenziell reiche Venezuela, das über die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt verfügt, ist ein Sozialfall, pleite, abgerutscht in eine Hyperinflation, die dieses Jahr bei einer Million Prozent liegen soll und für die es nur noch historische Vergleiche gibt. Das Volk hungert, Kinder sterben, ausgerottete Krankheiten kommen wieder. Millionen Venezolaner fliehen aus ihrem Land. Seit Jahren schon steuert das Land auf einen Kollaps zu, nun scheint er tatsächlich sehr nahe zu sein. Noch diesen Monat soll eine Währungsreform die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Fünf Nullen sollen von der Währung Bolívar gestrichen werden, und Devisen dürfen nun wieder frei gehandelt werden. Als ließe sich damit das D Versagen der Politik verbergen. er Fall Venezuela offenbart ähnlich wie die Krise in Nicaragua das dramatische Versagen der Linken in Lateinamerika. Sie haben es nur kurzfristig geschafft, ihren Ländern Stabilität und den Armen eine Verbesserung ihrer Situation zu bescheren. Sie haben auf Umverteilung anstatt auf Nachhaltigkeit und Empowerment gesetzt. Zugleich haben sie alles getan, sich an der Macht zu verewigen. Koste es, was es wolle.
Klar ist nur eines: Es nimmt kein gutes Ende mit Venezuela. Der Hass sitzt auf beiden Seiten tief, die Menschen sind verzweifelt, die Wirtschaft so sehr am Boden, dass selbst Experten kaum wissen, wie sie selbst nach einem Regierungswechsel wieder in Gang kommen soll. Und dass Maduro jemals friedlich von der Macht lässt, ist seit dem Wochenende noch weniger wahrscheinlich.