Kleine Zeitung Kaernten

Zur Person

- Peter Heintel Horst Peter Groß KK/PRIVAT FOTOLIA

ist am 12. Juli im 78. Lebensjahr verstorben und wird heute verabschie­det. Er war Gründungsr­ektor der Alpe-Adria-Universitä­t Klagenfurt. hat bei ihm dissertier­t und ist Präsident des Universitä­tsclub/Wissenscha­ftsverein Kärnten.

ren, ganzheitli­che Problemlös­ungen verhindern. Insbesonde­re das Wachstumsp­aradigma der Wirtschaft wie auch das Fortschrit­tsparadigm­a der Technik dominieren andere gesellscha­ftliche Subsysteme, sodass diese mit quantitati­ven Beurteilun­gskriterie­n konfrontie­rt werden, welche ihre besonderen Qualitäten nicht erfassen können. ies betrifft im Bildungsun­d Wissenscha­ftsbereich insbesonde­re die Übertragun­g des naturwisse­nschaftlic­hen Denkmodell­s auf die Kultur-, Sozial- und Geisteswis­senschafte­n. Dem gegenüber trat er für eine ganzheitli­che, prozessori­entierte Bearbeitun­g komplexer Herausford­erungen ein, welche die Grenzen der wissenscha­ftlichen Diszipline­n überschrei­ten und das besondere Wissen der Praxis einbindet. In diesem Sinne hatte er bereits 1979 mit KollegInne­n das Interunive­rsitäre Forschungs­institut für Fernstudie­n gegründet, das mehrere Standorte an anderen österreich­ischen Universitä­ten hatte und später als Interunive­rsitäres Institut für Forschung und Fortbildun­g auch die transdiszi­plinäre Zusammenar­beit forcierte. Für ihn geht es um das prozesseth­ische Ausbalanci­eren auftretend­er Widersprüc­he, die uns als „notwendige Konflikte“im täglichen Leben begegnen (weil sie zum Wesen des Menschen und menschlich­er Gesellscha­ften gehören), allerdings durch ein eindeutige­s „Richtig“oder „Falsch“im Sinne hierarchis­cher Logik nicht gelöst werden können. Als Dialektike­r im Sinne Hegels

Dfür ihn Widersprüc­he systemimma­nent und Konflikte daher Not-wendig! Denn sie sind wichtige Lernorte für Individuen, Gruppen und Organisati­onen, die konstrukti­v genutzt und aktiv aufgegriff­en, jedenfalls nicht – wie vielfach praktizier­t, weil unangenehm – unter den Teppich gekehrt werden sollen. Mit der Gründung des „Vereins zur Verzögerun­g der Zeit“hat Peter Heintel einen weiteren Aspekt aufgegriff­en und institutio­nalisiert: Er hat auf paradoxe Weise darauf hingewiese­n, dass die Bearbeitun­g Not-wendiger Widersprüc­he und Konflikte, dass kollektive Reflexion und Entscheidu­ngen auch entspreche­nde Eigen-Zeit benötigen. In diesem Sinne widersetzt­e er sich der wirtschaft­lich-technologi­schen Zeitbeschl­eunigung, indem er zum „Innehalten“(so der Titel einer seiner maßgeblich­en Publikatio­nen) aufrief. Denn allzu heftige Zukunftsor­ientierung, die sich heute in Innovation­shysterie äußert, ist auch eine Gegenwarts­flucht. Für Peter Heintel hingegen heißt Zukunftsge­staltung zunächst, innehalten in der Gegenwart, zurückzubl­icken, nachzudenk­en, und die entscheide­nde Frage nach dem „guten Leben“zu stellen: „Wollen wir das alles so, wie wir es uns eingericht­et haben und wie es sich weiter zu entwickeln ansind schickt? Und: Ist das auch gut für uns?“amit weist er auf den Freiheitsg­ebrauch des Menschen hin, der ihn einerseits wesensbedi­ngt ausmacht und von der ihn umgebenden Natur unterschei­det, anderersei­ts aber auch auf seine Verantwort­ung im „Zeitalter des Menschen“(Anthropozä­n) hinweist. Aufgrund der inzwischen geologisch­en Veränderun­gsmacht stellt sich nämlich die Frage, ob dieser ungehemmte Freiheitsg­ebrauch des Menschen unter wachstumsi­deologisch getriebene­m technische­m Fortschrit­tsdenken inzwischen nicht in Willkür umschlägt, die sich letztendli­ch gegen ihn selbst richtet. „Was die Welt im Innersten zusammenhä­lt“und wie wir (Menschen) mit unserer eigenen Macht, die sich zunehmend unser selbst bemächtigt, anders umgehen sollen bzw. können, hat er u. a. in der aktuellen Publikatio­n der Reihe „Kunst|Wissenscha­ft|Gesellscha­ft – Quer denken“beschriebe­n, die der Universitä­ts.club herausgibt. Angesichts der globalen Herausford­erungen gewinnt Zukunftsge­staltung nämlich eine neue Dimension. Wenn wir uns vielleicht jedoch selbst als Ursache unserer Probleme erkennen, können wir uns gerade deswegen – im Sinne der kulturelle­n Nachhaltig­keit der „Gattung Mensch“– auch anders entscheide­n! Das ist die gute Nachricht, und daran gilt es im Sinne Peter Heintels zu

arbeiten.

D

 ??  ?? Auguste Rodins Meisterwer­k „Der Denker“: Sinnbild für den Menschen, der über sein Tun nachsinnt
Auguste Rodins Meisterwer­k „Der Denker“: Sinnbild für den Menschen, der über sein Tun nachsinnt
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria