Schlepper-Prozess: 25 Jahre Haft für Hauptangeklagte
Nach Tod von 71 Flüchtlingen wurden die Urteile in Ungarn gefällt. Mancher hätte sich härtere Strafen erwartet. Staatsanwalt und Verteidiger bekämpfen Urteile.
Für das „Schlimmste, was jemals passiert ist“, hätte sich Oberst Gerald Tatzgern, der Leiter der österreichischen Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt, eine härtere Strafe erwartet. Auch Hans Peter Doskozil, zur Zeit des Verbrechens war er Landespolizeidirektor im Burgenland, zeigte sich gestern recht ernüchtert: „Natürlich ist die Rechtssystematik offensichtlich in Ungarn eine andere, aber durch das Urteil ist ja bestätigt, dass die Schuldfrage unbestritten ist.“
Die vier Hauptangeklagten – es handelt sich um einen Afghanen und drei Bulgaren – werden beschuldigt, für den Tod von 71 Flüchtlingen verantwortlich zu sein. Laut Anklage sind sie die Köpfe jener Schlepperbande, die im August 2015 den Transport der Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan organisiert hat. Sie müssen jeweils für 25 Jahre ins Gefängnis.
wurden am 27. August an der A 4 bei Parndorf im Burgenland entdeckt. Sie waren in einem KühlLkw nach Österreich gebracht worden. In dem hermetisch verschlossenen Kleinlaster hatten die Menschen – unter ihnen vier Kinder – unterwegs noch durch Schreien und Klopfen auf ihre Notsituation aufmerksam gemacht. Der Fahrer bemerkte dies zwar, hielt aber trotzdem nicht an. Alle 71 Menschen im Laderaum erstickten qualvoll.
Der Prozess in Kecskemet begann am 21. Juni 2017. Vor Gericht standen in dem Verfahren nur elf Beschuldigte. Drei weitere Angeklagte waren für die Justiz nicht greifbar, gegen sie wurde in Abwesenheit verhandelt. Alle Angeklagten wurden zu Haftstrafen verurteilt. Neben den 25 Jahren für die Hauptangeklagten – zu verbüßen unter verschärften Bedingungen – setzte es Freiheitsstrafen zwischen drei bis zwölf Jahren für alle weiteren. Der Staatsanwalt hatte für die Hauptangeklagten lebenslange Freiheitsstrafen beantragt, für drei von ihnen sogar ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung.
Die Urteile gegen die 14 Angeklagten sind nicht rechtskräftig. Sowohl der Staatsanwalt als auch die Verteidiger berufen. Die Hauptangeklagten wollen ihre Schuldsprüche bekämpfen. Das Gericht hat ihnen zugestanden, den Tod nicht absichtlich herbeigeführt zu haben. Der Fahrer des Kühl-Lkw hätte aber die Möglichkeit gehabt, die Tragödie zu verhindern. Erschwerend wurde gewertet, dass die Taten im Rahmen einer kriminellen Organisation begangen wurden – was die Angeklagten immer bestritten hatten.
Dass das Gericht unter der Höchststrafe geblieben ist, begründet der Richter so: „Wenn die Hauptangeklagten mit lebenslanger Haft bestraft würden, welche Strafe sollte ein Gericht über einen Menschen verhängen, der mit Absicht eine Bombe in eine Disco wirft?“