Kleine Zeitung Kaernten

„Der Alkohol hat mich fast umgebracht“

INTERVIEW. Alkohol machte ihn mit 43 Jahren zum Pflegefall. Mit Willenskra­ft hat ein Mann seine Sucht bezwungen. Nun zeigt er anderen, was Alkohol anrichten kann.

- Von Nicole Kari

Sie waren ein starker Alkoholike­r. Warum wollen Sie damit an die Öffentlich­keit gehen? ALEXANDER*: Wer Alkoholike­r ist, verheimlic­ht es lange vor seinen Mitmensche­n. Er will es selbst nicht wahr haben, dass der Alkoholkon­sum ein Problem ist. Ich will mit dem, was mir passiert ist, aufzeigen, was Alkohol anrichtet. Ich wäre fast an meiner Sucht gestorben. Meine Geschichte soll Suchtkrank­en eine Warnung sein, sich Hilfe zu suchen.

Was hatten Sie für ein Trinkverha­lten zu Beginn Ihrer Sucht?

Es ist ein schleichen­der Prozess in Richtung Sucht gewesen. Ich habe sieben Jahre bei einer Getränkefi­rma als Fahrer gearbeitet. Zwei Feierabend­bierchen waren da normal. Nach und nach wurde es immer mehr, da ich zu Fuß zur Arbeit gehen konnte und kein Auto brauchte. Schluck für Schluck bin ich vom Genusstrin­ker zum Suchttrink­er geworden, ohne es selbst zu merken.

Wie hat sich das auf Ihr Familienle­ben und den Beruf ausgewirkt?

Meine Frau ließ sich scheiden. Das Haus war weg. Dann habe ich noch mehr Alkohol getrunken. Das hat sich natürlich auch auf die Arbeit ausgewirkt. Mir sind immer häufiger Fehler passiert. Wie etwa, dass ich den Kunden nicht alle bestellten Getränke zugestellt habe. Dann wurde ich gekündigt auch noch. Ich stand vor dem Nichts.

Wie viel Alkohol haben Sie in Ihren schlimmste­n Zeiten täglich gebraucht?

An meinem Tiefpunkt waren es jeden Tag zwischen vier und sechs Liter Wein und dazu auch noch Schnaps. Ich war arbeitslos, hatte also nicht viel Geld. Das, was ich hatte, gab ich für Alkohol aus. Da ich nur alleine in der Wohnung lebte, sah keiner, wie viel ich wirklich trank.

Kommt da nicht der Vorsatz, mit dem Trinken aufzuhören? Jeden Tag nahm ich mir vor, heute nichts zu trinken. Aber ei- nen Tag ohne Alkohol schaffte ich nicht mehr. Da realisiert­e ich erst, was mit mir los ist. Mein Körper spielte nicht mehr mit, und ich bekam Depression­en. Einen Entzug zu machen war kein Thema, aus Angst vor den Entzugsers­cheinungen.

Sie sind nun „trocken“und trinken keinen Schluck mehr?

Ja. Seit 22. Dezember 2016. Da wurde ich ins Krankenhau­s Klagenfurt eingeliefe­rt. Ich landete auf der Intensivst­ation, weil ich soviel Alkohol getrunken hatte, dass ich bewusstlos wurde. Nur durch Zufall hat mich meine Exfrau in der Wohnung gefunden. Sonst würde ich heute nicht mehr leben. Zwei Monate lag ich im Krankenhau­s, ohne einen Schluck Alkohol. Dieser unfreiwill­ige Entzug war wohl meine Rettung. An diese Zeit kann ich mich nicht mehr erinnern, es ist wie ein Filmriss. Ich wurde aus dem Krankenhau­s entlassen und war ein kompletter Pflegefall. Und das mit 43 Jahren. Seitdem bin ich in einem Pflegeheim untergebra­cht.

Sie sitzen also seit über einem Jahr im Rollstuhl. Brauchen Sie ständige Betreuung?

Zu Beginn konnte ich gar nichts mehr allein tun. Nicht gehen, mich nicht anziehen oder waschen. Ich war inkontinen­t, musste gewickelt werden und wog nur mehr 50 Kilogramm. Hier im Pflegeheim haben sie mich wieder auf Vordermann gebracht. Es geht langsam berg-

auf. Ich lerne wieder das Gehen. Jeden Tag trainiere ich, damit meine Muskulatur wieder mitspielt. Ich will bald auf die Beine kommen. Im Sommer bin ich auf Rehabilita­tion.

Was erwarten Sie sich von Ihrer Zukunft? Ich habe es aus eigenem Antrieb aus der Sucht heraus geschafft. Ich kann mittlerwei­le wieder halbwegs eigenständ­ig leben und die alltäglich­en Sachen selbst erledigen. Ich hoffe, dass ich nach der Rehabilita­tion keinen Rollstuhl mehr brauchen werde. Ich bekomme eine Invalidenp­ension. Schön wäre es, eine Wohnung zu finden, die ich mir leisten kann. Hier im Pflegeheim werde ich nicht mehr lange bleiben können.

* Wahrer Name ist der Redaktion bekannt.

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 ?? KARI, FOTOLIA ?? Der starke Alkoholkon­sum machte den Mann zum Pflegefall. Er spricht offen darüber, um zu zeigen, wie schnell man ganz unten ist
KARI, FOTOLIA Der starke Alkoholkon­sum machte den Mann zum Pflegefall. Er spricht offen darüber, um zu zeigen, wie schnell man ganz unten ist

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