„Der Alkohol hat mich fast umgebracht“
INTERVIEW. Alkohol machte ihn mit 43 Jahren zum Pflegefall. Mit Willenskraft hat ein Mann seine Sucht bezwungen. Nun zeigt er anderen, was Alkohol anrichten kann.
Sie waren ein starker Alkoholiker. Warum wollen Sie damit an die Öffentlichkeit gehen? ALEXANDER*: Wer Alkoholiker ist, verheimlicht es lange vor seinen Mitmenschen. Er will es selbst nicht wahr haben, dass der Alkoholkonsum ein Problem ist. Ich will mit dem, was mir passiert ist, aufzeigen, was Alkohol anrichtet. Ich wäre fast an meiner Sucht gestorben. Meine Geschichte soll Suchtkranken eine Warnung sein, sich Hilfe zu suchen.
Was hatten Sie für ein Trinkverhalten zu Beginn Ihrer Sucht?
Es ist ein schleichender Prozess in Richtung Sucht gewesen. Ich habe sieben Jahre bei einer Getränkefirma als Fahrer gearbeitet. Zwei Feierabendbierchen waren da normal. Nach und nach wurde es immer mehr, da ich zu Fuß zur Arbeit gehen konnte und kein Auto brauchte. Schluck für Schluck bin ich vom Genusstrinker zum Suchttrinker geworden, ohne es selbst zu merken.
Wie hat sich das auf Ihr Familienleben und den Beruf ausgewirkt?
Meine Frau ließ sich scheiden. Das Haus war weg. Dann habe ich noch mehr Alkohol getrunken. Das hat sich natürlich auch auf die Arbeit ausgewirkt. Mir sind immer häufiger Fehler passiert. Wie etwa, dass ich den Kunden nicht alle bestellten Getränke zugestellt habe. Dann wurde ich gekündigt auch noch. Ich stand vor dem Nichts.
Wie viel Alkohol haben Sie in Ihren schlimmsten Zeiten täglich gebraucht?
An meinem Tiefpunkt waren es jeden Tag zwischen vier und sechs Liter Wein und dazu auch noch Schnaps. Ich war arbeitslos, hatte also nicht viel Geld. Das, was ich hatte, gab ich für Alkohol aus. Da ich nur alleine in der Wohnung lebte, sah keiner, wie viel ich wirklich trank.
Kommt da nicht der Vorsatz, mit dem Trinken aufzuhören? Jeden Tag nahm ich mir vor, heute nichts zu trinken. Aber ei- nen Tag ohne Alkohol schaffte ich nicht mehr. Da realisierte ich erst, was mit mir los ist. Mein Körper spielte nicht mehr mit, und ich bekam Depressionen. Einen Entzug zu machen war kein Thema, aus Angst vor den Entzugserscheinungen.
Sie sind nun „trocken“und trinken keinen Schluck mehr?
Ja. Seit 22. Dezember 2016. Da wurde ich ins Krankenhaus Klagenfurt eingeliefert. Ich landete auf der Intensivstation, weil ich soviel Alkohol getrunken hatte, dass ich bewusstlos wurde. Nur durch Zufall hat mich meine Exfrau in der Wohnung gefunden. Sonst würde ich heute nicht mehr leben. Zwei Monate lag ich im Krankenhaus, ohne einen Schluck Alkohol. Dieser unfreiwillige Entzug war wohl meine Rettung. An diese Zeit kann ich mich nicht mehr erinnern, es ist wie ein Filmriss. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen und war ein kompletter Pflegefall. Und das mit 43 Jahren. Seitdem bin ich in einem Pflegeheim untergebracht.
Sie sitzen also seit über einem Jahr im Rollstuhl. Brauchen Sie ständige Betreuung?
Zu Beginn konnte ich gar nichts mehr allein tun. Nicht gehen, mich nicht anziehen oder waschen. Ich war inkontinent, musste gewickelt werden und wog nur mehr 50 Kilogramm. Hier im Pflegeheim haben sie mich wieder auf Vordermann gebracht. Es geht langsam berg-
auf. Ich lerne wieder das Gehen. Jeden Tag trainiere ich, damit meine Muskulatur wieder mitspielt. Ich will bald auf die Beine kommen. Im Sommer bin ich auf Rehabilitation.
Was erwarten Sie sich von Ihrer Zukunft? Ich habe es aus eigenem Antrieb aus der Sucht heraus geschafft. Ich kann mittlerweile wieder halbwegs eigenständig leben und die alltäglichen Sachen selbst erledigen. Ich hoffe, dass ich nach der Rehabilitation keinen Rollstuhl mehr brauchen werde. Ich bekomme eine Invalidenpension. Schön wäre es, eine Wohnung zu finden, die ich mir leisten kann. Hier im Pflegeheim werde ich nicht mehr lange bleiben können.
* Wahrer Name ist der Redaktion bekannt.