Für eine Bildungspolitik mit Verstand
In den letzten Tagen haben sich einmal mehr „Bildungsexperten“durch nicht gerade qualifizierte Äußerungen hervorgetan. Den Vogel hat dabei Andreas Salcher abgeschossen, der sich zuletzt sogar als „Schul-Papst“titulieren ließ. Er hat folgende Aussage getätigt: „In Kanada sprechen die Kinder der Einwanderer nach Abschluss der Schulzeit besser Englisch bzw. Französisch als die Einheimischen. Das zeigt, welche positive Wirkung ein gutes Schulsystem haben kann. Bei uns können die Kinder der dritten Einwanderungsgeneration schlechter Deutsch als die der zweiten.“Es ist an Skurrilität kaum mehr zu überbieten, wenn Salcher unser Schulsystem dafür verantwortlich machen möchte, dass sich Österreichs Migrations- und Integrationspolitik jahrzehntelang radikal von der klassischer Einwanderungsländer unterschieden hat: 15-Jährige, die nach Kanada zugewandert sind, leben im OECD-weiten Vergleich in den wohlhabendsten Elternhäusern, nach Österreich Zugewanderte befinden sich diesbezüglich im OECDweiten Schlussfeld. In Österreich wird der sozioökonomische Rückstand, den das Elternhaus der zu uns zugewanderten Schüler aufweist, immer größer. In nur wenigen OECD-Staaten ist er so groß wie in Österreich. Kanada zählt zu den OECD-Staaten, in denen Zuwanderer das höchste Bildungsniveau aufweisen. In Österreich ist der Anteil der 15-Jährigen mit Migrationshintergrund, deren Mutter keinen erfolgreichen Abschluss der Sekundarstufe II aufweist, drei Mal so groß wie in Kanada.
Das und anderes mehr bildet den sozioökonomischen Nährboden dafür, dass der Leistungsrückstand 10-Jähriger, deren Umgangssprache nicht die Unterrichtssprache ist, in Österreich mehr als drei Mal so groß ist wie in Kanada. Und in Österreich sprechen über 70 Prozent der 15-Jährigen, die in unser Land eingewandert sind, zu Hause überwiegend nicht die Testsprache.
All das sollte man wissen, bevor man sich zu dieser so ernsten Thematik zu Wort meldet. Wie sagte schon Josef Kraus: „Was das Bildungsverständnis betrifft, sind auch viele unserer Bildungsexperten und Bildungspolitiker Bildungsferne.“
Herbert Weiß ist Vorsitzender der AHS-Lehrer
Nach Österreich zugewanderte 15Jährige befinden sich im OECDSchlussfeld, was die soziale Situation der Elternhäuser betrifft.