Kleine Zeitung Kaernten

Spur der Verwüstung

Nach einem halben Jahr unter Präsident Trump ist das Weiße Haus zum Hort wilder Rivalitäte­n und Machtkämpf­e verkommen. Das Vulgäre ist Teil des Systems.

- Karl Doemens

Der Abschied vollzog sich ebenso kurz wie entwürdige­nd: Nach einem Tweet des Präsidente­n musste Reince Priebus im strömenden Regen auf dem Rollfeld des Washington­er Flughafens die Dienstlimo­usine zum Weißen Haus verlassen. Zuvor hatte sich der bisherige Stabschef noch von einem Vertrauten des Präsidente­n als „verfickter paranoider Schizophre­ner“beschimpfe­n lassen müssen. So schnell kann man bei Donald Trump in der Gosse landen.

Der erzwungene Rücktritt des republikan­ischen Parteisold­aten als Stabschef markiert den Höhepunkt einer desaströse­n Woche für den US-Präsidente­n: Gegen seinen Willen verabschie­deten die Republikan­er im Kongress neue Russland-Sanktionen. Trotz seiner Drohungen ließen die Parteifreu­nde die Gesundheit­sreform durchfalle­n. Der Verteidigu­ngsministe­r ging auf Distanz zum pauschalen Ausschluss von Transgende­r-Menschen aus dem Militär. Und der Justizmini­ster erklärte trotz Dauerdemüt­igungen durch Trump, er wolle im Amt bleiben.

Es herrscht offener Krieg im Weißen Haus, das unter Trump zu einem Hort von ungezügelt­en Rivalitäte­n, Intrigen und Machtkämpf­en geworden ist. Je härter die politische­n Rückschläg­e sind, desto brutaler fallen Schuldzuwe­isungen und Attacken aus. Selbst in der zynischen Politserie „House of Cards“hat noch kein Mitarbeite­r des Weißen Hauses einem Kollegen unterstell­t, dieser würde am liebsten „den eigenen Schwanz lutschen“. PR-Chef Anthony Scaramucci hat das über den Chefstrate­gen Stephen Bannon gesagt, und Trump scheint’s nicht zu stören.

Im Gegenteil. Der Chef-Twitterer selbst ist ein Meister der Beleidigun­g. Er befördert Rivalitäte­n in seinem Umfeld, spielt seine Hofschranz­en gegeneinan­der aus und lässt alle im Unklaren über ihre wahre Stellung. Das befördert nach seiner Überzeugun­g den Wettbewerb. Jahrelang hat Trump es so in seiner Realitysho­w praktizier­t, in der junge Jobbewerbe­r gegeneinan­der antraten. „You’re fired!“(Du bist gefeuert), beschied er am Ende jeder Folge einem von ihnen.

Ganz ähnlich hat Trump es vor ein paar Wochen mit FBIChef James Comey gemacht. Seinen Sprecher Sean Spicer trieb er zur Kündigung. Nun ließ er Priebus abschießen. Das nächste Opfer könnte Justizmini­ster Jeff Sessions werden.

Nach einem halben Jahr hat Trump eine beachtlich­e Spur der Verwüstung hinterlass­en. Geschafft hat der narzisstis­che Milliardär so gut wie nichts: keine Mauer zu Mexiko. Kein Infrastruk­turprogram­m. Keine Steuerrefo­rm. Keine Gesundheit­sreform. Dafür verschärft er täglich seine Rhetorik gegen Minderheit­en und zündelt außenpolit­isch mit dem Feuer. s scheint, als begreife der einstige Reality-TV-Star nicht, dass er nicht mehr mit Platzpatro­nen, sondern mit scharfer Munition schießt. So mag ein neuer Stabschef vielleicht ein paar undichte Stellen im Weißen Haus stopfen. Am Kern des Problems aber wird er kaum etwas ändern.

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