Spur der Verwüstung
Nach einem halben Jahr unter Präsident Trump ist das Weiße Haus zum Hort wilder Rivalitäten und Machtkämpfe verkommen. Das Vulgäre ist Teil des Systems.
Der Abschied vollzog sich ebenso kurz wie entwürdigend: Nach einem Tweet des Präsidenten musste Reince Priebus im strömenden Regen auf dem Rollfeld des Washingtoner Flughafens die Dienstlimousine zum Weißen Haus verlassen. Zuvor hatte sich der bisherige Stabschef noch von einem Vertrauten des Präsidenten als „verfickter paranoider Schizophrener“beschimpfen lassen müssen. So schnell kann man bei Donald Trump in der Gosse landen.
Der erzwungene Rücktritt des republikanischen Parteisoldaten als Stabschef markiert den Höhepunkt einer desaströsen Woche für den US-Präsidenten: Gegen seinen Willen verabschiedeten die Republikaner im Kongress neue Russland-Sanktionen. Trotz seiner Drohungen ließen die Parteifreunde die Gesundheitsreform durchfallen. Der Verteidigungsminister ging auf Distanz zum pauschalen Ausschluss von Transgender-Menschen aus dem Militär. Und der Justizminister erklärte trotz Dauerdemütigungen durch Trump, er wolle im Amt bleiben.
Es herrscht offener Krieg im Weißen Haus, das unter Trump zu einem Hort von ungezügelten Rivalitäten, Intrigen und Machtkämpfen geworden ist. Je härter die politischen Rückschläge sind, desto brutaler fallen Schuldzuweisungen und Attacken aus. Selbst in der zynischen Politserie „House of Cards“hat noch kein Mitarbeiter des Weißen Hauses einem Kollegen unterstellt, dieser würde am liebsten „den eigenen Schwanz lutschen“. PR-Chef Anthony Scaramucci hat das über den Chefstrategen Stephen Bannon gesagt, und Trump scheint’s nicht zu stören.
Im Gegenteil. Der Chef-Twitterer selbst ist ein Meister der Beleidigung. Er befördert Rivalitäten in seinem Umfeld, spielt seine Hofschranzen gegeneinander aus und lässt alle im Unklaren über ihre wahre Stellung. Das befördert nach seiner Überzeugung den Wettbewerb. Jahrelang hat Trump es so in seiner Realityshow praktiziert, in der junge Jobbewerber gegeneinander antraten. „You’re fired!“(Du bist gefeuert), beschied er am Ende jeder Folge einem von ihnen.
Ganz ähnlich hat Trump es vor ein paar Wochen mit FBIChef James Comey gemacht. Seinen Sprecher Sean Spicer trieb er zur Kündigung. Nun ließ er Priebus abschießen. Das nächste Opfer könnte Justizminister Jeff Sessions werden.
Nach einem halben Jahr hat Trump eine beachtliche Spur der Verwüstung hinterlassen. Geschafft hat der narzisstische Milliardär so gut wie nichts: keine Mauer zu Mexiko. Kein Infrastrukturprogramm. Keine Steuerreform. Keine Gesundheitsreform. Dafür verschärft er täglich seine Rhetorik gegen Minderheiten und zündelt außenpolitisch mit dem Feuer. s scheint, als begreife der einstige Reality-TV-Star nicht, dass er nicht mehr mit Platzpatronen, sondern mit scharfer Munition schießt. So mag ein neuer Stabschef vielleicht ein paar undichte Stellen im Weißen Haus stopfen. Am Kern des Problems aber wird er kaum etwas ändern.
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