Kanzler in Israel: „Ewiges Unrecht“
Kontrastprogramm für den Kanzler: Erst gedachte Christian Kern bei seiner Israel-Reise der Opfer des Holocaust, danach drehte er eine Runde in einem selbstfahrenden Auto. Heute trifft er Israels Premier.
Montagvormittag in Jerusalem, zehn Uhr. Zwei Minuten lang heulen die Sirenen, Menschen, Straßenbahnen und Autos halten an, überall wird die Arbeit niedergelegt und geschwiegen. Ganz Israel steht für 120 Sekunden still, um sich am Gedenktag „Jom haScho’a“vor den sechs Millionen Opfern des Holocaust zu verneigen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erlebt diese zwei Minuten nach einer Kranzniederlegung in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem.
Nach seinem Besuch der berühmten Denkmäler in Yad Vashem schrieb der Kanzler ins Gästebuch, dass ihn der Besuch „tief berührt“habe. „Dieser Ort“, so der Bundeskanzler, „wird die Welt immer an den schrecklichen Mord, die Grausamkeiten und das ewige Unrecht, das der jüdischen Gemeinschaft angetan wurde, erinnern.“Zuvor hatte der Kanzler, der heute seine mehrtägige Israel-Reise beendet, bereits die österreichische Mitverantwortung am nationalsozialistischen Völkermord betont. So bezeichnete Kern den Holocaust als das „dunkelste Kapitel unserer Geschichte“. Österreich, sagte Kern während seiner Israel-Reise, habe seine Lektion gelernt. Beim Festakt im Freien entzündeten am Montagvormittag HolocaustÜberlebende in sechs Schalen ebenso viele Flammen – in Erinnerung an sechs Millionen ermordete Juden.
Am Sonntagabend hatte Kern als erster österreichischer Bundeskanzler am offiziellen Staatsakt in Yad Vashem teilgenommen. „Eine große Ehre“sei das, sagte Kern über „den wichtigsten Teil“seiner Israel-Reise. Dass diese Ehre dem Bundeskanzler zuteilwurde, war vor einigen Wochen noch gar nicht vorgesehen – schließlich hätte der Kanzler Israel und Palästina eigentlich schon Ende Jänner besuchen sollen. Kern musste allerdings kurzfristig absagen, ihm war die Regierungskrise Ende Jänner – aus der die Koalition dann mit einem überarbeiteten Arbeitsprogramm gekommen ist – dazwischengekommen.
So aber wurde Kern als einziger internationaler Staatsgast beim Staatsakt explizit von Israels Präsident Reuven Rivlin begrüßt. Rivlin warnte in seiner Rede vor zunehmendem Antisemitismus. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu,
den Kern heute nach einem Gespräch mit Israels ultrarechtem Verteidigungsminister Avigdor Lieberman trifft, hingegen bedauerte in seiner Rede, dass es nach dem Holocaust noch zu weiteren Massenmorden gekommen sei. Als Beispiele nannte Netanjahu etwa die Lage in Syrien – wenngleich er den jüngsten US-Luftschlag lobend erwähnte.
Der weitere Israel-Tag des Bundeskanzlers stand dann im Zeichen der Digitalisierung: Um sich ein Bild von der boomenden Forschungslandschaft Israels zu machen, besuchte Kern das Jerusalemer Unternehmen Mobileye. Beim Autozulieferer, der vor rund einem Monat um 14,4 Milliarden Euro vom USin Chip-Giganten Intel geschluckt worden war, ließ sich der Kanzler ein selbstfahrendes Auto zeigen und durfte gar ein paar Runden damit drehen. Diese Gelegenheit ergriff der Kanzler dann auch gleich, um sich zur heimischen Gründer- und Forschungsszene zu äußern: An Innovationsgeist fehle es auch Österreich nicht, jedoch: „Wir sind sehr gut bei der Frühphasenfinanzierung, das Problem fängt an, wenn es darum geht, dann weitere fünf oder zehn Millionen aufzustellen.“Der Staat könne „da zwar ankurbeln“, es bedürfe allerdings mehr privater Investoren für weitere „innovative Assets“.