Warum Mazedonien uns nicht egal sein darf
Der Konflikt könnte die ganze Region in Brand setzen.
DerWeg weg von Europa begann in Mazedonien an einem freundlichen Frühlingstag des Jahres 2008. Gemeinsammit Albanien sollte das Land damals auf demNatoGipfel in Bukarest in das westliche Verteidigungsbündnis aufgenommen werden.
Als es schließlich zur Abstimmung kam, hob der griechische Delegierte allerdings unerwartet seinen Arm zum Veto. Man hatte nicht so richtig daran gedacht: Athen machte ja dem kleinen Nachbarland noch immer seinen Namen streitig. Die großen Nato- und EU-Länder nahmen und nehmen den Zwischenfall achselzuckend zur Kenntnis. Sollen die sich doch untereinander einigen! Für die Mazedonier aber war das Veto die Botschaft: Wir können uns noch so anstrengen, wir schaffen es nie.
Mangels europäischer Perspektive setzte die mazedonische Regierung fortan auf Nationalismus und baute die Hauptstadt Skopje mit lauter Styropor-Tempeln zu einer Art Riesen-Minimundus um. Die
NORBERT MAPPES- NIEDIEK Pro-Westler im Lande hatten jetzt, ohne den Trumpf der EUMitgliedschaft, schlechte Karten. Oligarchen, Lokalpotentaten und alte KP-Seilschaften dagegen durften sich freuen. Sie wurden reich, regierten autoritär, flirteten mit Kremlchef Wladimir Putin. Sie mussten nicht mehr fürchten, dass ihnen Brüssel allzu sehr auf die Finger schaute. Was sie angerichtet haben, kann man heute besichtigen: ein „typisches“Balkanland. Verarmt, zerstritten, mit einem finsteren Geheimdienst.
InWesteuropa haben es nicht wenige immer schon gewusst: Balkan bleibt Balkan. Dabei hat derWesten mit seiner traditionellen Hochnäsigkeit das Desaster selbst befördert. Ein Land müsse erst „EU-Reife“vorweisen können, wenn es beitreten wolle, heißt es immer – als fände da ein natürlicher Reifungsprozess statt, der bloß Zeit braucht. In Wirklichkeit finden in Mazedonien und in der Nachbarschaft, in Serbien, Albanien, Bosnien und im Kosovo, über denWeg der Nation Auseinandersetzungen statt. Wie sie ausgehen, hängt davon ab, ob Europa diesen Ländern eine Perspektive bietet. ann uns das nicht alles egal sein? Nein; das kann es wirklich nicht. Geht Mazedonien den fatalen Weg, den es eingeschlagen hat, weiter, so endet es in Chaos und Gewalt oder in der Diktatur. DerKonflikt kann die ganzeRegion in Brand setzen. Die Balkanländer sind über ihre Minderheiten wie die Glieder einer Kette miteinander verbunden. AmEndewerden es die reichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sein, die die Flüchtlinge aufnehmen und den Wiederaufbau bezahlen müssen.
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