Jetzt müssen die Firmen liefern
Nach dem Attentat auf den Ex-Präsidenten war der „Trump Trade” voll im Gange. Für den Gesamtmarkt entscheidend ist aber, ob die Techfirmen die Erwartungen nun erfüllen.
Die Börsianer bereiten sich nach dem gescheiterten Attentat auf Donald Trump auf eine zweite Amtszeit des Ex-Präsidenten vor. Der Sieg bei den Wahlen im November sei ihm kaum zu nehmen, so der Tenor, und das zeigte auch die Entwicklung der Aktienkurse. Der taiwanische Produzent von Halbleiterprodukten TSMC zog den Technologiesektor nach unten, nachdem Trump finanzielle Gegenleistungen für den USMilitärschutz Taiwans gefordert hatte. Gleichzeitig setzten Kleinfirmen und Banken zur Rallye an und verhalfen dem Dow-Jones-Index zu einem neuen Rekordhoch.
Langfristig orientierte Kleinanleger müssen der US-Politik grundsätzlich nicht allzu viel Beachtung schenken – über Jahrzehnte hinweg hat sich ein breites Investment in den Leitindex S&P 500 immer noch als sicherste und beste Möglichkeit zum Vermögensaufbau erwiesen, unabhängig vom jeweiligen Präsidenten. Kurz- bis mittelfristig spielt es allerdings durchaus eine Rolle, ob nun Trump oder ein Demokrat ins Weiße Haus einziehen wird. So gilt Trump beispielsweise als Gegner von strengen Regulierungen und komplizierter Bürokratie.
Das ist ein wichtiger Grund für den Kurssprung der Banken. Deren Chefs kritisieren die unter Joe Biden verschärften Kapitalerfordernisse heftig, eine kontrollierte Reduzierung der erforderlichen
Rücklagen könnte die Gewinnmargen der Institute erhöhen. JPMorgan und Bank of America könnten etwa von einem Trump-Sieg im November profitieren. Beide Aktien legten deutlich zu, auch weil die Bank of America ihre Gewinnprognosen für die zweite Jahreshälfte erhöht hat.
Powell dürfte länger bleiben
Zudem sorgte ein Trump-Interview mit „Bloomberg Businessweek“für zusätzlichen Optimismus an der Wall Street. Einerseits kündigte Trump an, Fed-Chef Jerome Powell nicht vor Ende seiner Amtszeit 2026 zu feuern und ihn womöglich auch zu verlängern. Andererseits brachte der Republikaner JPMorgan-Chef Jamie Dimon als künftigen Finanzminister ins Spiel. Kaum ein Banker genießt einen besseren Ruf als Dimon, der die größte US-Bank bereits seit knapp 20 Jahren führt. Auch wenn Dimon betont, keinesfalls in die Politik zu wechseln: Dass Trump ihn ins Spiel bringt, nährt die Hoffnung auf eine Expertenregierung, die es verstehen könnte, die US-Wirtschaft bei Laune zu halten.
Wohlgemerkt ist Trump keineswegs der einzige Grund für die ungebrochene Rekordjagd an der Wall Street. In der Tat nehmen immer mehr Händler den Ausdruck „goldilocks economy“in den Mund, nachdem die Konsumausgaben zuletzt stärker als erwartet angestiegen sind.
Immerhin hängt die USWirtschaftsleistung zu zwei Dritteln von den Ausgaben der Konsumenten ab. Der Fed-Ableger in Atlanta hat deshalb seine Prognose für die USKonjunktur im heurigen Jahr von zwei Prozent auf eine Wachstumsrate von 2,5 Prozent angehoben. Gleichzeitig verfestigte Jerome Powell die Erwartungen, wonach die Fed im September die Zinsen senken wird. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt laut der Optionsbörse CME bei mehr als 95 Prozent.
„Goldilocks“- Szenario
Anleger sprechen von einer „goldilocks economy“, wenn ein solides Wirtschaftswachstum auf eine sinkende Inflation trifft, die es der Fed ermöglicht, die Zinsen zu senken. Das wiederum treibt in der Theorie die Konjunktur weiter an, unter anderem, weil Kredite für Investitionen billiger werden. Ob es dazu kommt, wird sich in den kommenden zwei Monaten zeigen. Vor der Fed-Sitzung Mitte Dezember veröffentlicht das Arbeitsministerium noch die Inflationszahlen für Juli und August. Sollte die Teuerung in Richtung des FedZiels von zwei Prozent zurückgehen – im Juni lag sie bei drei Prozent –, könnte die Rallye weitergehen.
Trotzdem mahnen manche Analysten zur Vorsicht. Sie verweisen auf die laufende Bilanzsaison für das zweite Quartal und die damit verbundenen hohen Erwartungen rund um den Hype um die künstliche Intelligenz. Laut dem Finanzdienstleister FactSet erwarten die Händler für die Firmen des S&P 500 im Schnitt ein Gewinnwachstum von 8,8 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres. Das wäre der stärkste Profitanstieg seit mehr als zwei Jahren. Bisher haben beispielsweise die Fluglinien und die meisten Banken ihre Gewinne bekannt gegeben – und dabei die Erwartungen verfehlt. Das ging im Trubel um Trump etwas unter. Das Plus bei Finanzaktien ist eben nicht unbedingt den Bilanzzahlen zu verdanken, sondern den Prognosen und der Erwartung des Siegs von Trump im November.
Erwartungen erfüllen
Entscheidend für den Gesamtindex sind jedoch ohnehin die großen Technologiekonzerne. Deren Bilanzzahlen stehen noch an, laut FactSet prognostizieren die Experten ein durchschnittliches Gewinnplus von 24 Prozent, während das im Schnitt erwartete Plus für jene Firmen, deren Kern nichts mit künstlicher Intelligenz zu tun hat, bloß bei 1,5 Prozent liegt. Kleinanleger, die etwa einen Indexfonds auf den S&P 500 halten, dürfen ihr Augenmerk auf die Techgiganten lenken. Alphabet wird seine Zahlen diese Woche bekannt geben, Ende Juli folgen Microsoft und Meta und im August Apple, Amazon und Nvidia.
Weitergehen wird die Rekordjagd des S&P 500 über den Sommer wohl nur, wenn die Riesen liefern. Allein Apple, Microsoft und Nvidia machen mehr als ein Fünftel des Gesamtindex aus. Die Sorge ist groß, dass die Erwartungen in diesem Quartal verfehlt werden könnten und es nicht zuletzt wegen der hohen Bewertungen der Technologiegiganten zu Aktienverkäufen kommt.
Auch das ist ein Grund für die zuletzt gesehene Umschichtung hin zu kleineren Firmen und zu Unternehmen, die mit künstlicher Intelligenz weniger am Hut haben. Deshalb fuhr der Techindex Nasdaq vergangene Woche trotz der allgemeinen Euphorie an einem Tag mit einem Minus von 2,8 Prozent den größten Tagesverlust seit Dezember 2022 ein. Viel deutet darauf hin, dass nach ein paar ruhigen Monaten die Schwankungsbreite im August zunehmen wird.