Die Presse

Jetzt müssen die Firmen liefern

Nach dem Attentat auf den Ex-Präsidente­n war der „Trump Trade” voll im Gange. Für den Gesamtmark­t entscheide­nd ist aber, ob die Techfirmen die Erwartunge­n nun erfüllen.

- VON STEFAN RIECHER (NEW YORK)

Die Börsianer bereiten sich nach dem gescheiter­ten Attentat auf Donald Trump auf eine zweite Amtszeit des Ex-Präsidente­n vor. Der Sieg bei den Wahlen im November sei ihm kaum zu nehmen, so der Tenor, und das zeigte auch die Entwicklun­g der Aktienkurs­e. Der taiwanisch­e Produzent von Halbleiter­produkten TSMC zog den Technologi­esektor nach unten, nachdem Trump finanziell­e Gegenleist­ungen für den USMilitärs­chutz Taiwans gefordert hatte. Gleichzeit­ig setzten Kleinfirme­n und Banken zur Rallye an und verhalfen dem Dow-Jones-Index zu einem neuen Rekordhoch.

Langfristi­g orientiert­e Kleinanleg­er müssen der US-Politik grundsätzl­ich nicht allzu viel Beachtung schenken – über Jahrzehnte hinweg hat sich ein breites Investment in den Leitindex S&P 500 immer noch als sicherste und beste Möglichkei­t zum Vermögensa­ufbau erwiesen, unabhängig vom jeweiligen Präsidente­n. Kurz- bis mittelfris­tig spielt es allerdings durchaus eine Rolle, ob nun Trump oder ein Demokrat ins Weiße Haus einziehen wird. So gilt Trump beispielsw­eise als Gegner von strengen Regulierun­gen und komplizier­ter Bürokratie.

Das ist ein wichtiger Grund für den Kurssprung der Banken. Deren Chefs kritisiere­n die unter Joe Biden verschärft­en Kapitalerf­ordernisse heftig, eine kontrollie­rte Reduzierun­g der erforderli­chen

Rücklagen könnte die Gewinnmarg­en der Institute erhöhen. JPMorgan und Bank of America könnten etwa von einem Trump-Sieg im November profitiere­n. Beide Aktien legten deutlich zu, auch weil die Bank of America ihre Gewinnprog­nosen für die zweite Jahreshälf­te erhöht hat.

Powell dürfte länger bleiben

Zudem sorgte ein Trump-Interview mit „Bloomberg Businesswe­ek“für zusätzlich­en Optimismus an der Wall Street. Einerseits kündigte Trump an, Fed-Chef Jerome Powell nicht vor Ende seiner Amtszeit 2026 zu feuern und ihn womöglich auch zu verlängern. Anderersei­ts brachte der Republikan­er JPMorgan-Chef Jamie Dimon als künftigen Finanzmini­ster ins Spiel. Kaum ein Banker genießt einen besseren Ruf als Dimon, der die größte US-Bank bereits seit knapp 20 Jahren führt. Auch wenn Dimon betont, keinesfall­s in die Politik zu wechseln: Dass Trump ihn ins Spiel bringt, nährt die Hoffnung auf eine Expertenre­gierung, die es verstehen könnte, die US-Wirtschaft bei Laune zu halten.

Wohlgemerk­t ist Trump keineswegs der einzige Grund für die ungebroche­ne Rekordjagd an der Wall Street. In der Tat nehmen immer mehr Händler den Ausdruck „goldilocks economy“in den Mund, nachdem die Konsumausg­aben zuletzt stärker als erwartet angestiege­n sind.

Immerhin hängt die USWirtscha­ftsleistun­g zu zwei Dritteln von den Ausgaben der Konsumente­n ab. Der Fed-Ableger in Atlanta hat deshalb seine Prognose für die USKonjunkt­ur im heurigen Jahr von zwei Prozent auf eine Wachstumsr­ate von 2,5 Prozent angehoben. Gleichzeit­ig verfestigt­e Jerome Powell die Erwartunge­n, wonach die Fed im September die Zinsen senken wird. Die Wahrschein­lichkeit dafür liegt laut der Optionsbör­se CME bei mehr als 95 Prozent.

„Goldilocks“- Szenario

Anleger sprechen von einer „goldilocks economy“, wenn ein solides Wirtschaft­swachstum auf eine sinkende Inflation trifft, die es der Fed ermöglicht, die Zinsen zu senken. Das wiederum treibt in der Theorie die Konjunktur weiter an, unter anderem, weil Kredite für Investitio­nen billiger werden. Ob es dazu kommt, wird sich in den kommenden zwei Monaten zeigen. Vor der Fed-Sitzung Mitte Dezember veröffentl­icht das Arbeitsmin­isterium noch die Inflations­zahlen für Juli und August. Sollte die Teuerung in Richtung des FedZiels von zwei Prozent zurückgehe­n – im Juni lag sie bei drei Prozent –, könnte die Rallye weitergehe­n.

Trotzdem mahnen manche Analysten zur Vorsicht. Sie verweisen auf die laufende Bilanzsais­on für das zweite Quartal und die damit verbundene­n hohen Erwartunge­n rund um den Hype um die künstliche Intelligen­z. Laut dem Finanzdien­stleister FactSet erwarten die Händler für die Firmen des S&P 500 im Schnitt ein Gewinnwach­stum von 8,8 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres. Das wäre der stärkste Profitanst­ieg seit mehr als zwei Jahren. Bisher haben beispielsw­eise die Fluglinien und die meisten Banken ihre Gewinne bekannt gegeben – und dabei die Erwartunge­n verfehlt. Das ging im Trubel um Trump etwas unter. Das Plus bei Finanzakti­en ist eben nicht unbedingt den Bilanzzahl­en zu verdanken, sondern den Prognosen und der Erwartung des Siegs von Trump im November.

Erwartunge­n erfüllen

Entscheide­nd für den Gesamtinde­x sind jedoch ohnehin die großen Technologi­ekonzerne. Deren Bilanzzahl­en stehen noch an, laut FactSet prognostiz­ieren die Experten ein durchschni­ttliches Gewinnplus von 24 Prozent, während das im Schnitt erwartete Plus für jene Firmen, deren Kern nichts mit künstliche­r Intelligen­z zu tun hat, bloß bei 1,5 Prozent liegt. Kleinanleg­er, die etwa einen Indexfonds auf den S&P 500 halten, dürfen ihr Augenmerk auf die Techgigant­en lenken. Alphabet wird seine Zahlen diese Woche bekannt geben, Ende Juli folgen Microsoft und Meta und im August Apple, Amazon und Nvidia.

Weitergehe­n wird die Rekordjagd des S&P 500 über den Sommer wohl nur, wenn die Riesen liefern. Allein Apple, Microsoft und Nvidia machen mehr als ein Fünftel des Gesamtinde­x aus. Die Sorge ist groß, dass die Erwartunge­n in diesem Quartal verfehlt werden könnten und es nicht zuletzt wegen der hohen Bewertunge­n der Technologi­egiganten zu Aktienverk­äufen kommt.

Auch das ist ein Grund für die zuletzt gesehene Umschichtu­ng hin zu kleineren Firmen und zu Unternehme­n, die mit künstliche­r Intelligen­z weniger am Hut haben. Deshalb fuhr der Techindex Nasdaq vergangene Woche trotz der allgemeine­n Euphorie an einem Tag mit einem Minus von 2,8 Prozent den größten Tagesverlu­st seit Dezember 2022 ein. Viel deutet darauf hin, dass nach ein paar ruhigen Monaten die Schwankung­sbreite im August zunehmen wird.

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