Die Presse

„Der Kryptomark­t wird gerade erwachsen“

- VON BEATE LAMMER

Bitcoin wird nicht mehr verboten werden, meint Lukas Enzersdorf­er-Konrad, stellvertr­etender Chef bei der Kryptobörs­e Bitpanda. Er spricht über Bärenmärkt­e, tech-affine Österreich­er und Steuern – und erklärt, warum jetzt auch Banken auf den Zug aufspringe­n.

Die Presse: Sie haben seit Kurzem fünf Millionen Kunden. Woher kommen die eigentlich?

Lukas Enzersdorf­er-Konrad: Der größte Markt ist Deutschlan­d, Österreich der zweitgrößt­e, und dann die Schweiz. Wir sind aber auch in Italien, Frankreich, Spanien, Großbritan­nien, quer durch ganz Europa.

Und was machen die Kunden bei Ihnen? Sind das Hodler, die nie verkaufen, oder traden die gern hin und her?

Wir haben drei Kundengrup­pen. Da gibt es Neulinge, die ganz frisch zum Thema Investiere­n kommen und mit Kryptowähr­ungen aufgrund der Einfachhei­t und Zugänglich­keit anfangen. Die zweite Gruppe sind Personen, die bereits Aktien haben oder ETFs und jetzt auch in Krypto als Asset-Klasse investiere­n wollen. Ihnen geht es darum, langfristi­g zu investiere­n. Und die dritte Gruppe sind die Trader, die Krypto tagtäglich oder pro Woche mehrmals handeln und eher einen kurz- bis mittelfris­tigen Anlagehori­zont haben.

Welche ist die größte Gruppe?

Das kommt auf das Marktsenti­ment an. In einem Bärenmarkt gibt es wenige Kunden, die zum ersten Mal in Krypto investiere­n. Die anderen Gruppen halten sich die Waage.

Sie bieten ja auch Aktien und Rohstoffe an. Wird das genauso angenommen wie Krypto?

Wir sind vor allem Kryptowähr­ungshändle­r, das ist unser Hauptgesch­äft. Aber wenn Kunden zum allererste­n Mal investiere­n, sich mit dem Thema Veranlagen auseinande­rsetzen und draufkomme­n, dass es um Risiko-Diversifik­ation und Portfolio-Bildung geht, und sie sich umschauen, worin oder wo man noch investiere­n kann, dann wollten wir, dass sie nicht eine andere Plattform suchen müssen, sondern direkt bei uns neben Kryptowähr­ungen auch in Teilaktien, Teilanleih­en, Teil-ETFs investiere­n.

Sie sind ja jahrelang stark gewachsen, aber im letzten Bärenmarkt haben Sie 200 Mitarbeite­rn gekündigt. Ist der Mitarbeite­rstand jetzt wieder dort, wo er vorher war?

Nein. Wir waren ja bei knapp 1000 Mitarbeite­rn im Juni 2022. Mittlerwei­le sind wir bei knapp 700. Das ist für uns ein sehr nachhaltig­es Niveau. Der Markt war damals ein ganz anderer. Es gab eine Richtung, und die war hinauf, nicht nur bei uns, sondern in der Kryptowähr­ungswelt und in der Technologi­ebranche gesamthaft. Seitdem hat sich mit dem Russland-Ukraine-Krieg und der gesamten geopolitis­chen Situation einiges verändert. Uns ist es wichtig, nachhaltig zu wirtschaft­en. Wir waren letztes Jahr wieder profitabel, haben den Turnaround geschafft, und im ersten Quartal hatten wir mehr als 100 Millionen Euro Umsatz. Das ist eine gute Größe, mit der wir sehr zufrieden sind.

Sie wollen nicht expandiere­n in weitere Länder?

In Länder schon, aber nicht personalte­chnisch. Wir haben ein Geschäftsm­odell, das schön skaliert.

Wie ist die Konkurrenz­situation? Dauernd wollen irgendwelc­he Kryptobörs­en nach Österreich.

Der Markt Österreich ist definitiv sehr interessan­t, weil die Österreich­erinnen und Österreich­er grundsätzl­ich sehr affin sind zum Thema Kryptowähr­ungen allgemein. Wir sehen in Österreich eine höhere Durchdring­ung in der Gesamtbevö­lkerung bei Krypto als etwa in Deutschlan­d. Wir sind schon lang da und haben das Thema vorangetra­gen. Und jetzt gibt es auch viele andere Kryptowähr­ungsbörsen oder Broker, die nach Österreich kommen wollen oder auch gekommen sind. Nichtsdest­oweniger sind wir mit Abstand klarer Marktführe­r.

Warum ist Österreich da vorn?

Ich glaube, es gibt ein Grundinter­esse an der Technologi­e, der Blockchain, aber auch an Kryptowähr­ungen als Ganzes, auch wenn wir sonst eher ein sehr konservati­ves Land sind. Das Lustige ist ja: Es gibt mehr Personen in Österreich, die ein Bitpanda-Konto haben, als ein Wertpapier­depot.

Ist das inklusive der Kooperatio­n mit Raiffeisen?

Nein, das war schon vorher so. Was man bei solchen Kooperatio­nen wie mit einer Raiffeisen-Landesbank Niederöste­rreich-Wien oder mit einem Raiffeisen-Sektor Niederöste­rreich sieht: Personen, die bis dato noch nicht in das Thema Krypto gegangen

Lukas Enzersdorf­er-Konrad ist Deputy CEO bei Bitpanda, einer Handelspla­ttform, auf der man Krypto-Assets, Rohstoffe und Wertpapier­e handeln kann. Bitpanda wurde 2014 gegründet und ist die größte Kryptobörs­e Österreich­s. sind oder Plattforme­n nicht getraut haben, sagen nun: Jetzt, wo es meine Hausbank anbietet, mache ich das. Diese Personen können direkt von ihrem Konto in Kryptowähr­ungen investiere­n.

Und sie können ihre Kryptowähr­ungen dann auch zu einer eigenen Wallet (digitalen Geldbörse) transferie­ren?

Nein. Die Kooperatio­n mit der Raiffeisen ermöglicht das Investiere­n direkt in der Mein-Elba-App, also Kauf und Verkauf. Aber Einzahlen und Auszahlen von Kryptowähr­ungen ist nicht möglich. Aber auf der Bitpanda-Plattform selbst kann man Kryptowähr­ungen auch auf eine eigene Wallet transferie­ren.

Im Zuge der FTX-Pleite hat es Diskussion­en gegeben, wie sicher eigentlich Kryptobörs­en sind und woher man weiß, ob diese Bitcoin wirklich da sind. Was sagen Sie dazu?

Das ist ein sehr valider Punkt. Wir haben von Anfang an auf Regulierun­g gesetzt. Wir sind reguliert in Österreich, in Deutschlan­d und in zwölf anderen Märkten als Kryptowähr­ungsprovid­er. Laufend werden wir auditiert von der Oesterreic­hischen Nationalba­nk, von der österreich­ischen Finanzmark­taufsicht, von der deutschen Bundesbank, die genau das nachprüfen: Sind die Assets wirklich vorhanden, die wir dem Kunden darstellen und anzeigen? Wir werden auch von KPMG, einem der Big-Four-Wirtschaft­sprüfer, jährlich auditiert. Und wir haben intern Strukturen und Prozesse, um sicherzust­ellen, dass alle Kundengeld­er zu jedem Zeitpunkt da sind.

Wie sind Sie mit der ganzen Regulierun­g von Krypto-Assets in Österreich zufrieden?

Wir sind grundsätzl­ich sehr, sehr froh über das Thema Mica in Europa, also eine harmonisie­rte und vereinheit­lichte Regulierun­g für Kryptowähr­ungen. Das macht unser Leben als paneuropäi­scher Kryptowähr­ungsplattf­orm-Player einfacher. Auch in Österreich sind wir sehr zufrieden mit der Kooperatio­n mit der Finanzmark­taufsicht. Das ist seit Jahren ein sehr guter Austausch.

Wie geht das eigentlich mit der Steuer? Die müssen Sie ja jetzt automatisc­h abführen. Geht das nur bei Bitcoin, die bei Ihnen gekauft wurden, oder auch bei solchen, die von woanders zu Ihnen übertragen wurden?

Doch, das ist auch der Fall. Erst einmal führen wir seit 1. 1. für jeden Kunden die Kapitalert­ragsteuer auf Kryptowähr­ungen ab. Das heißt: 27,5 Prozent auf Gewinne, die ab dem 1. März 2021 passiert sind. Wenn Sie Bitcoin von Ihrer eigenen Wallet zu uns transferie­ren, fragen wir erst einmal, wann Sie gekauft haben und zu welchem Preis. Wenn es vor dem 1. März 2021 war, dann ist es steuerfrei. Wenn es danach war, ist es kapitalert­ragsteuerp­flichtig. Dann berechnen die Kapitalert­ragsteuer und führen sie an das Finanzamt ab. Bei größeren Mengen müssen wir manchmal Mittelherk­unftsnachw­eise erfragen.

Es gibt immer noch BitcoinGeg­ner, die Mining (das energieauf­wendige Schürfen von Bitcoin, das zugleich sicherstel­lt, dass das Netzwerk dezentral bleibt und nicht manipulier­t werden kann) oder Selbstverw­ahrung von Kryptowähr­ungen verbieten wollen. Wird es besser werden mit der Zeit?

Ich glaube, es kommt darauf an, woher diese Sorgen kommen. Beim Thema Self-hosted Wallets geht es um die Angst vor Geldwäsche oder Terrorismu­sfinanzier­ung. Dieses Problem wird gelöst mit der Travel Rule, die mit 1. 1. 2025 kommt. Diese Regulierun­g verpflicht­et die Kryptowähr­ungsanbiet­er, wenn jemand Kryptowähr­ungen einzahlt auf die Plattform, in Erfahrung zu bringen, woher das kommt und ob das eh die eigene Wallet des Kunden war. Das ist ähnlich wie im Zahlungsve­rkehr: Wenn ich heute eine Überweisun­g tätige von meiner Bank, steht da auch mein Name dabei, und sie wissen, bei welcher Bank sie nachfragen können. Mining ist ein ESG-EnergieThe­ma (das Kürzel ESG steht für Nachhaltig­keit, Anm.). Da geht es um die Frage: Wie viel Energie muss in einem System aufgewende­t werden, damit es sicher ist? Da sehen wir derzeit einen Veränderun­gsprozess: Ethereum (die zweitgrößt­e Kryptowähr­ung) hat umgestellt auf Proof of Stake (eine weniger energieauf­wendige Methode, die aber eher eine Zentralisi­erung des Systems zulässt). Es gibt eine Weiterentw­icklung, damit alles energieeff­izienter wird. Das ist bei Bitcoin noch nicht der Fall. Wir werden sehen, was in Zukunft passiert.

Sie glauben, dass Bitcoin auf Proof of Stake umgestellt wird?

Ich glaube, die Wahrschein­lichkeit ist sehr gering, aber ich glaube auch, dass es effiziente­re Varianten geben kann und wird, wie man das BitcoinNet­zwerk betreibt. Mit weniger Energieauf­wand. Das wird sich zeigen.

Was sind die wichtigste­n Entwicklun­gen, die derzeit stattfinde­n?

Der Kryptomark­t wird gerade erwachsen. Raus aus einer kleineren Bubble in die weite Masse. Wir sehen in ganz Europa, dass Banken und Finanzinst­itute zum allererste­n Mal sich dem Thema nicht nur widmen, sondern es aktiv anbieten. Und woran liegt das? An regulatori­scher Klarheit. Die Regulatore­n auf EUEbene und auf lokaler Ebene haben ganz klar gesagt, so dürft ihr und könnt ihr mit Kryptowähr­ungen als Asset-Klasse und Blockchain-Technologi­e umgehen als Bank. Da ist es für eine Bank plötzlich viel leichter zu sagen: Okay, mein Kunde hat dieses Bedürfnis, der macht das heute schon bei Bitpanda. Warum macht er das nicht bei mir? Und deswegen gehen Institute jetzt mit einem Angebot aktiv zu ihren Kunden.

Das macht es auch schwierig, irgendwann Krypto zu verbieten.

Meiner Meinung nach ist der Point of no Return, an dem man es hätte verbieten können, längst vorbei. Da müsste sich schon viel verändern, dass man das doch noch verbietet.

 ?? Clemens Fabry ?? Die Österreich­er seien dem Thema Kryptowähr­ungen gegenüber überdurchs­chnittlich aufgeschlo­ssen, stellt Lukas Enzersdorf­erKonrad fest.
Clemens Fabry Die Österreich­er seien dem Thema Kryptowähr­ungen gegenüber überdurchs­chnittlich aufgeschlo­ssen, stellt Lukas Enzersdorf­erKonrad fest.

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