Droht eine dritte Front im Gaza-Krieg?
Nach dem tödlichen Drohnenagriff der HouthiMiliz hat Israel erstmals ein Ziel im Jemen bombardiert. Experten rechnen mit weiteren Angriffen der Houthis, auch auf Tel Aviv.
Während der Krieg im Gazastreifen weiter tobt, während Israels Schlagabtausch mit der libanesischen Hisbollah immer heftiger wird, droht nun womöglich noch Eskalation an einer dritten Front: zwischen Israel und den HouthiRebellen im Jemen. Am frühen Freitagmorgen war eine mit
Sprengstoff beladene Drohne in ein Wohnhaus in Tel Aviv eingeschlagen.
Immer wieder im Visier
Wacklige Handyvideos zeigen, wie die Drohne vor nachtschwarzem Himmel den Mittelmeerstrand überfliegt und Sekunden später eine Explosion in einem mehrstöckigen Gebäude auslöst. Ein Mann starb, mindestens acht weitere Menschen wurden verletzt. Die Houthis übernahmen Verantwortung.
Schon seit dem Terrorangriff der radikalislamischen Palästinensergruppe Hamas vom 7. Oktober auf Israel und dem davon ausgelösten Gaza-Krieg feuert die schiitisch-islamistische Houthi-Miliz regelmäßig Raketen und Drohnen auf Handelsschiffe im Roten Meer ab, die angeblich in Verbindung zu Israel stehen. Im März sank zum ersten Mal ein Schiff infolge eines solchen Angriffs.
Immer wieder hatten die Rebellen, die vom Iran unterstützt und bewaffnet werden, außerdem Ziele in Israel anvisiert.
Bis vor Kurzem hatten die Luftabwehrsysteme Israels oder seiner Verbündeten in der Region solche Geschosse abfangen können. Warum die Drohne am Freitag weder Luftalarm auslöste noch abgeschossen wurde, ist unklar; das Militär sprach von einem „menschlichen Fehler“.
Kobi Michael, Sicherheitsexperte von Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, schreibt dem tödlichen Drohnenangriff denn auch keine besondere Bedeutung zu: Die Houthis hätten dieses Mal lediglich Glück gehabt, sagte er dieser Zeitung.
Brände und Rauchschwaden
Für aussagekräftiger hält er die israelische Reaktion. Am Samstag bombardierte Israels Armee Ziele der Houthis im jemenitischen Hafen von Hudaida, über 1800 Kilometer von Israel entfernt. Regionalen Medien zufolge gab es dabei mindestens drei Tote und Dutzende Verletzte; Videoaufnahmen zeigen weitläufige Brände und dicke Rauchschwaden.
„Der Hafen, der attackiert wurde, ist kein harmloser Hafen“, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu danach. „Er dient als Einfuhrpunkt für Waffen, die der Iran an seine terroristischen Stellvertreter, die Houthis, liefert.“Der Premierminister rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, ihre „Bemühungen zu verdoppeln“, Handelsschiffe im Roten Meer zu schützen und „die Houthis und ihre iranischen Sponsoren für ihre Aggression zur Verantwortung zu ziehen“. Eine internationale Koalition unter Führung der USA versucht seit Monaten, Handelsschiffe im Roten Meer vor den Angriffen der Houthis zu beschützen.
Vor diesem Hintergrund, sagt der Sicherheitsexperte Michael, sei Israels Reaktion „auch eine Ansage an die internationale Gemeinschaft, vor allem die USA, dass die Aktivitäten der internationalen Koalition nicht effektiv sind“. Zudem sende Israel eine auf Abschreckung zielende Botschaft nicht nur an die Houthis, sondern auch an andere regionale Verbündete des Iran.
Angriff auf Eilat
Die Houthis gaben sich zunächst unbeeindruckt. Als Reaktion auf den israelischen Luftangriff im Jemen beschossen die Rebellen die israelische Hafenstadt Eilat mit mehreren ballistischen Raketen. „Wir haben wichtige Ziele in Israel angegriffen“, erklärte deren Militärsprecher Jahja Sari. Diesmal aber fing Israels Raketenabwehr nach Militärangaben eine BodenBoden-Rakete ab, die sich vom Jemen aus Israel genähert habe. Das Geschoss sei nicht in israelisches Gebiet eingedrungen.
Es kam zu Raketenalarm, Berichte über Opfer gab es aber nicht. Die am nördlichen Roten Meer gelegene Stadt wird immer wieder von den Houthi-Rebellen im Jemen angegriffen.
Das Risiko einer weiteren Eskalation hält Kobi Michael dennoch für gering. „Die Houthis können nicht mehr tun als das, was sie schon seit Monaten tun: Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper abfeuern.“Aufheizen könne sich die Lage, sollte der Iran beschließen, den militärischen Druck auf Israel zu erhöhen, etwa mittels verstärkter Angriffe durch die Hisbollah im Libanon. „Die Wahrscheinlichkeit dafür halte ich aber nicht für sehr groß.“
‘‘ Die Houthis können nicht mehr tun als das, was sie schon seit Monaten tun: Drohnen, Raketen und Marschflugkörper abfeuern.
„Verhalten der USA“
Auf der anderen Seite glaubt er nicht, dass Israels Reaktion die Kalkulation der Houthis oder ihrer iranischen Sponsoren wesentlich beeinflussen werde. „Israel allein kann sehr aggressiv sein, aber sehr viel mehr hängt vom Verhalten der USA ab. Die USA sind der Schlüssel: Wenn sie beschließen, Israel mit Blick auf die Houthis allein zu lassen, wird Israel die regionale Dynamik nicht ändern können. Das kann es nur im Zusammenspiel mit einer internationalen Koalition, angeführt von den USA.“
Kobi Michael Sicherheitsexperte