Am Ende des Death Match winkt die Freiheit
Moderner Gladiatorenkampf zwischen Häftlingen in LiveÜbertragung: Nana Kwame Adjei-Brenyah untersucht menschliche Abgründe.
Die USA leisten sich schon heute den Unfug privat betriebener Gefängnisse, deren Hauptaugenmerk sich wohl mehr auf Profitmaximierung denn auf Resozialisierung richtet. Sollten in Zukunft Trumputins die Geschicke von Staaten bestimmen, scheint die These des 1990 als Sohn ghanaischer Einwanderer geborenen Autors gar nicht so absurd: Als Stütze des jeweiligen Regimes dient eine Kommerzkoalition von Privatgefängnissen und Unterhaltungsindustrie (bei uns zu sehen wäre es dann vielleicht auf Herbert TV).
Kein Wunder: Hatte doch schon 1988 der Soziologe Neil Postman in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“die bedenkenlose Konsumbereitschaft der Menschen analysiert und dazu vergleichsweise harmlose Beispiele geliefert. Nun aber: Freistilringen und Schlammcatchen war gestern! Als Publikumshit hat sich in der Gesellschaft ein Hochamt der Gefühlslosigkeit etabliert, gegen das nur ein überschaubares Grüppchen protestiert.
In Anstalten einsitzende Schwerverbrecher erhalten das Angebot, in Ligen gegen Insassen anderer Gefängnisse mit speziellen Waffen (variatio delectat) in Arenen auf Leben und Tod zu kämpfen – zudem wird das Gemetzel per TV und Streaming live in alle Wohnstuben des Landes geliefert; nur kurz, aber stetig von Werbung unterbrochen. Die Betreiber dieses Systems schämen sich nicht ihres Tuns, sondern preisen die Chancengleichheit beim Überleben, die bei Gehorsam etwas bessere Behandlung zwischen den Kämpfen und die am Ende bei Gewinn des Death Match winkende Freiheit. Deutlich ist das Anliegen des Autors ein großes „So nicht!“. Zwischen den Fights widmet er sich den Kindern der Inhaftierten und beschreibt neue Folterinstrumente zur Aufrechterhaltung des Alltagsbetriebs. Hier wimmelt es also von Leuten, die einem nicht sofort ans Herz wachsen: etwa der großmäuliger Moderator der Blutoper; eklige Hinterzimmerkapitalisten, die noch brutalere Regeln zur Quotensteigerung planen; ein Hardcore-Fan, der sich zwischen den Livekämpfen an Archivmaterial labt.
Dass die wegen Mordes Verurteilten auch keine idealen Sympathieträger sind, ist klar. Doch jede Geschichte braucht Heldenfiguren. In diesem Fall sind dies Loretta Thurwar mit ihrem schweren Hammer Hass Omaha und Hamara Stacker, die sich unter dem Namen Hurricane Staxx mit ihrer Sense Love Guile ins Finale tötet. Im Lauf des Geschehens entwickeln die beiden Frauen ein zärtliches Verhältnis
zueinander. Doch leider treffen sie nach Seriensiegen im Finale aufeinander – und so muss der Leser entscheiden, welcher er insgeheim die Freiheit wünscht, und welche er dem Tod anheimfallen lässt.
Die Schilderung des unerbittlichen Geschehens ergänzt der Autor um zahlreiche juristische, historische und soziologische Fußnoten – die am Ende des Buchs besser aufgehoben wären –, die die Möglichkeit einer derartigen Zukunft untermauern sollen. Der staatlich akzeptierte Kampf um Leben oder Tod ist ja nichts Neues. Es gab ihn schon als Gladiatorenkampf im antiken Rom, im religiösen Mittelalter als von Kirchen überhöhtes Gottesurteil. Nur kam dies damals noch ohne die aufdringlichen Firmenlogos der Werbung aus. Die Radikalisierung eines Prozesses der fortschreitenden Konkurrenz mag ein kleines, uns vertrautes Beispiel zeigen: Auch im altehrwürdigen Unterhaltungsformat Quiz gab es Konkurrenz. Wer Fragen richtig beantworten konnte, stieg in die nächste Runde auf. Wer versagte, flog aus dem Spiel. Und das war’s. Das war jedoch werbungsgeilen Privatsendern zu wenig. Um dem Publikum den Anschein von Mitbestimmung zu geben, durften die Zuseher Kandidaten per Abstimmung rausmeucheln, die dann bestenfalls im „Taxi Orange“auf Senderkosten heimfuhren. Hauptsache: Es war a Hetz!