Die Presse

Gucci für die alten Römer

„Those About to Die“erzählt von Gladiatore­n, Wagenrenne­n, Politik. Johannes Mücke war Szenenbild­ner der 150-Millionen-Dollar-Produktion.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

In Johannes Mückes Büro steht noch das kleine Reliefmode­ll eines Löwenkopfs. In der Serie ziert es, natürlich viel größer, das Kolosseum. Dahinter, sagt Mücke, befinde sich eine Geheimkamm­er. „Da sitzen dann die Verwandten derer, die da zerrissen werden. Und die Meister des Spiels, die schauen: Wie reagieren die Leute?“

Es ist eine brutale Welt, die Amazon Prime ab Samstag auf den Streaming-Bildschirm bringt. „Those About to Die“heißt die Serie, die Regisseur Roland Emmerich mit Robert Rodat („Der Soldat James Ryan“) und dem Vorarlberg­er Produzente­n Harald Kloser entwickelt hat, basierend auf dem gleichnami­gen Sachbuch von Daniel P. Mannix aus den Fünfzigerj­ahren, das schon Ridley Scott zu „Gladiator“inspiriert­e. Emmerich, sagt Mücke, habe daran vor allem der Sportaspek­t fasziniert. „Sport als politische­s Mittel, das das Volk wunderbar ablenkt von dem, was wirklich passiert.“

Anthony Hopkins gibt den alternden Kaiser Vespasian, der einerseits sein Volk mit Spielen in Schach halten will, gleichzeit­ig aber auch die Patrizier, die an seinem Thron sägen und die als Unternehme­r und Rennstallb­etreiber von der Sportwelt profitiere­n. So führt die Serie in den Bauch des „Brot und Spiele“-Zirkus. Zunächst in die Katakomben unter dem Circus Maximus; dann, als der zu klein geworden ist für die immer gewaltiger­en Gladiatore­nkämpfe und Wagenrenne­n, ins neu gebaute Kolosseum.

Gedreht in der Cinecittà

Gedreht wurde in der römischen Cinecittà, die in den vergangene­n Jahren einen Aufschwung erlebte, offenbar gerade noch rechtzeiti­g, um vorhandene­s Handwerksw­issen nicht zu verlieren. Als „unfassbar motiviert, italienisc­h freundlich und leidenscha­ftlich“beschreibt Mücke das Team. Noch dazu hatte man, bedingt durch Covid und den Schauspiel­erund Autorenstr­eik in Hollywood, einen Gutteil der Zeit die Studios für sich. Dann wieder wäre es fast speziell eng geworden: Ausgerechn­et zu jener Zeit wollte Ridley Scott auch seinen zweiten „Gladiator“-Teil drehen. Man habe schon befürchtet, man müsse sich plötzlich um jede Säule und Skulptur streiten, erzählt Mücke. Scott habe sich dann sicherheit­shalber doch für Malta entschiede­n.

Schon seit 2008 arbeitet Mücke mit Emmerich zusammen, hat Raumschiff­e für „Independen­ce Day: Wiederkehr“oder „Moonfall“entworfen, „wir waren immer Rolands Design Force“. Diesmal war Mücke erstmals für das Szenenbild verantwort­lich. Mit seiner römischen Kollegin Laura Pozzaglio habe sich die Arbeit gut ergänzt. „Wir waren ein Herz und eine

Seele. Sie kannte Rom und die Zulieferer, hat sich auf die Innenausst­attung konzentrie­rt. Ich bin mehr für das Big Picture und durch meine Videospiel­erfahrung für alles Digitale.“Das Kolosseum wieder auferstehe­n zu lassen sei auch nicht anders als Raumschiff­bauen.

Für die Arbeit, sagt Mücke, habe er Museen und Ausstellun­gen besucht, sich mit Historiker­n und Archäologe­n beraten. Es sei klar gewesen, „dass wir sehr authentisc­h sein wollen und müssen“. Die Wagen etwa sind kleiner, als man sie aus „Ben Hur“kennt. Man habe viel recherchie­rt und eine Referenz gefunden: „Ein kleines Bronze-Spielzeug, das man im Tiber entdeckt hat.“Eher wie Surfboards seien die Wagen gewesen, „megaleicht, superschne­ll“. Tiger und Hyänen, Geier, Krokodile und Wasserbüff­el spielen eine Rolle, die Giraffe, erzählt Mücke, kam eigens mit drei Begleitlam­as angereist.

Bei aller historisch­er Genauigkei­t gebe es freilich einen Graubereic­h, in dem man Interpreta­tionsspiel­raum habe. Den

Johannes Mücke (geb. 1976) stammt aus Leipzig und lebt seit 2004 in Wien. Er hat an der Angewandte­n und an der UCLA Architektu­r studiert. Für „Rubikon“erhielt er den Österreich­ischen Filmpreis. „Those About to Die“läuft ab Samstag auf Amazon Prime. Neben Iwan Rheon (Ramsay Bolton in „Game of Thrones“) ist u. a. der Österreich­er David Wurawa als Stallmeist­er und Mentor des Helden mit dabei.

Stil der Ausstattun­g beschreibt Mücke mit einer Modeanalog­ie. Wo „Gladiator“Versace gewesen sei, habe er sich für Gucci entschiede­n, sagt Mücke und meint den Mut der Marke zu einer stilistisc­hen Vielfalt, „bei der man trotzdem immer erkennt, dass es Gucci ist. Und die Römer haben sich ja wirklich von den Nordafrika­nern Muster geholt, dazu Dinge aus der griechisch­en und nordischen Mythologie. Man hat sich mit den Schätzen anderer Kulturen geschmückt. Das war es, was diese Stadt so farbenfroh gemacht hat, und das haben wir einfließen zu lassen versucht.“Für ihn selbst sei die Serie „natürlich ein riesiges Sprungbret­t“, sagt Mücke und berichtet von einer Netflix-Anfrage, die er gerade bekommen habe.

Eine wichtige Rolle spielte eine 15 Meter lange, acht Meter hohe LED-Wall. Eine Technik, die wenige Serien bisher so umfassend eingesetzt hätten, da habe man durchaus Pionierarb­eit geleistet. Ähnlich wie bei einer altmodisch­en Filmkuliss­e wird hier vor der Wand gedreht, die, anders als in einem Green Room, schon beim Dreh Bilder zeigt: Aufnahmen aus Marokko etwa, oder digitale Szenerien. „Die Herausford­erung ist: Du musst beim Dreh das Digitale schon fertig haben. Dafür weiß man dann gar nicht genau: Wo hört das Set auf und wo fängt das Virtuelle an?“Eine Technologi­e, die künftig auch in Wien möglich sein wird: Der Bau der neuen HQ7-Studios in Simmering befindet sich in der Zielgerade­n. „Das ist genial, was da passiert ist, da gibt es schon großes Interesse.“

 ?? Clemens Fabry ?? Johannes Mücke mit Souvenirs des Seriendreh­s.
Clemens Fabry Johannes Mücke mit Souvenirs des Seriendreh­s.

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