Die Presse

Politik muss mit gutem Beispiel vorangehen

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„Erst kommt der Preis, dann die Moral“, v. David Freudentha­ler, 10.7. Es ist lobenswert, dass ein Artikel in einer Tageszeitu­ng endlich einmal klar aufzeigt, wie groß die Diskrepanz beim Thema Tierwohl zwischen dem Wunsch der „Bürger“in einer Umfrage und dem tatsächlic­hen Handeln als „Konsument“an der Supermarkt­kassa ist. Ein wesentlich­er Aspekt wurde allerdings m. M. vergessen: Auch der Staat selbst in seinen unzähligen Institutio­nen ist sehr säumig, was den Einkauf und die Verwendung von regionalen Tierwohlpr­odukten und Bioprodukt­en in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung betrifft.

2021 wurde von der damals zuständige­n Ministerin, Elisabeth Köstinger, mit großem Medieninte­resse der „Aktionspla­n Nachhaltig­e Beschaffun­g“präsentier­t. In öffentlich­en Kantinen sollte regionaler eingekauft werden, eine fixe Bioquote von 55 % ab 2030 wurde festgelegt. Es wurde von einem „Meilenstei­n“gesprochen, geblieben ist ein Luftschlos­s, wie so vieles von Köstingers Politik.

Würde der Staat Tierwohlpr­odukte der österreich­ischen Bäuerinnen und Bauern kaufen, brauchten sich die Puten- und Tierwohl-Schweinepr­oduzenten wohl keine Sorge um ihren Absatz zu machen. Meint es die österreich­ische Politik mit dem Tierwohl ernst, dann muss sie mit gutem Beispiel vorangehen und dort Tierwohlun­d Bioprodukt­e anbieten, wo sie es direkt in der Hand hat, nämlich in Spitälern, Kasernen, Schulen, Pflegeheim­en usw. Werden die Tierwohlpr­odukte nicht gekauft, dann werden sie auch nicht produziert, so einfach ist die Rechnung.

Als Lehrer an einer landwirtsc­haftlichen Schule habe ich

jeden Tag mit zukünftige­n Bäuerinnen und Bauern zu tun, und ich kann versichern, die jungen Hofüberneh­mer sind sehr wohl bereit, Tierwohlpr­odukte und mehr Produkte in Bioqualitä­t zu produziere­n. Was ihnen derzeit fehlt, sind gesicherte Rahmenbedi­ngungen und vor allem der Absatz (!), um die großen Investitio­nen, die dafür notwendig sind, zu wagen. Hier ist die Politik gefordert, zur Sicherung einer bäuerliche­n Landwirtsc­haft und damit zur Sicherung der Versorgung Österreich­s mit gesunden Lebensmitt­eln höchster Qualität. Leo Gruber-Doberer, Landwirt und Lehrer am Francisco Josephinum Wieselburg, 3244 Ruprechtsh­ofen

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