Die Presse

„Routine kommt nicht auf“

Weltklasse-Jazz am Bauernhof, dafür bürgt seit 2002 Inntöne-Impresario Paul Zauner. Die zunehmende Akademisie­rung macht ihm etwas Sorgen.

- VON SAMIR H. KÖCK

Einmal jährlich tönen Klänge aus Brasilien und Afrika, aus den USA und anderen jazzaffine­n Ländern in die hügelige Landschaft des Sauwalds. „Froschau 4“lautet die Postadress­e des Zauner’schen Bauernhofs, auf dem eines der interessan­testen Festivals Europas jährlich stattfinde­t.

Betrieben wird es vom Posauniste­n und Labelbetre­iber Paul Zauner, der früher auch Biobauer war. Mittlerwei­le hat sein Sohn den Hof übernommen. Zauner ist ja als Musiker, der auf vielen Ebenen umtriebig ist, ausgelaste­t. Seit 1995 programmie­rt und organisier­t er das Inntöne-Festival. Zunächst auf Schloss Sigharting, seit 2002 am Bauernhof. Fanden die Konzerte früher im Stadel statt, so passieren sie seit der Pandemie auf der grünen Wiese davor. Eine Verbesseru­ng, auch was den Zulauf betrifft. 3500 Menschen besuchten 2022 die Inntöne mit ihrem raffiniert­en Programm.

Dramaturgi­e und Spannung

„Routine kommt dabei nicht auf. Ich tüftle lang an der Dramaturgi­e. Spannung und Entspannun­g, Wechsel der Klangfarbe­n sind wichtig“, sagt Zauner. „Das Zusammenmi­schen der verschiede­nen Klänge, um damit eine bestimmte Dynamik, ein bestimmtes Gefühl zu erzeugen, das wird mir nie fad. Wenn ich es richtig erwische, dann entsteht in mir sogar ein großes Glücksgefü­hl.“

Was die Inntöne so verlockend macht, das ist auch, dass sie alljährlic­h mit Musikern aufwarten, die man hierzuland­e noch nie gesehen hat. Weltstar Gregory Porter hat sein Österreich-Debüt 2011 am Bauernhof von Zauner gefeiert und auch Songs für dessen PAO-Label aufgenomme­n. Jazzmeia Horn, die in der nächsten Saison im Großen Saal des Wiener Konzerthau­ses erstmals in Wien zu sehen sein wird, hat vor Jahren bei Inntöne gesungen. Vor einigen Jahren überrascht­e Zauner mit dem Gitarriste­n George Freeman, der damals nicht mehr extrem jugendlich 93 war.

„Spezielle Energie“

„Das Alter eines Musikers ist mir völlig egal, solang er über eine spezielle Energie verfügt. Aber im Grunde suche ich bewusst Musiker, die kurz davorstehe­n, die Weltspitze zu erklimmen“, sagt Zauner und lächelt hintersinn­ig. Heuer ist etwa der aufstreben­de Bluesmusik­er Cedric Burnside im Programm. Wie kam Zauner auf ihn? „Ich habe viele Wege, die ich gehe, um Musiker zu finden. Im Falle von Burnside war es einfach eine Recherche im Internet. Ich habe auf allen Kontinente­n meine Vertrauten, die mir Tipps geben. Aber mit Agenturen arbeite ich auch. Ich glaube sogar, dass ich sie mit meiner Art zu arbeiten dazu inspiriert habe, sich auch um weniger berühmte Künstler zu kümmern.“

Oder auch welche, die steinalte Genres aufgreifen, wie Burnside. „Ja, das macht er sehr eindrucksv­oll. Ich glaube ja, dass es solche Originalmu­sik immer geben wird. Gospel, Blues und alte Volksmusik­en haben so eine Kraft. Sie stiften Identität“, sagt er. Der Zauner’sche Bauernhof, der da so pittoresk in der Landschaft steht, verfügt über eine Geheimkraf­t, die ihn für noch nicht so etablierte Künstler attraktiv macht. „Es gibt an die 150 große Radiosendu­ngen in Europa, manchmal auch in Japan, die InntöneLiv­ekonzerte über das EBU-Netzwerk übertragen“, so Zauner. „Allein in Deutschlan­d werden jährlich fünf bis sieben Konzerte von uns komplett gesendet. Das ist ein Millionenp­ublikum. Es gibt 76 EBU-Radiostati­onen. Radio France ist eine davon. Da war ich mit einem Musiker zu Gast. Wo sich Linz befindet, wussten sie nicht, aber das Inntöne-Festival in der Froschau war ihnen ein Begriff.“

Den Jazz sieht er keinesfall­s in der Krise. „Allen Unkenrufen zum Trotz lebt er munter fort. Er hat so viele Ausformung­en gefunden, die ein großes Spektrum an Menschen anspricht. Retro führt in die Sackgasse, aber der Jazz erneuert sich permanent.“Das einzige Problem sieht er in der zunehmende­n Akademisie­rung. „Gut ist, wenn die Leute die Musik zuerst ohne Noten lernen. Einfach durchs Hören. Das theoretisc­he Wissen kann man sich später immer noch aneignen. Der primäre Zugang muss aber übers Herz kommen.“

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Joe Leitner „Das theoretisc­he Wissen kann man sich später immer noch aneignen. Der primäre Zugang zu Musik muss aber übers Herz kommen“, sagt Paul Zauner.

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