Die Presse

Je steiler, desto besser wird er

Tadej Pogačar fährt weiter unaufhalts­am dem Gesamtsieg entgegen, er löscht Bestmarken von Marco Pantani, träumt von Mark Cavendish und distanzier­t seine Konkurrenz.

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Am französisc­hen Nationalfe­iertag wartete auf das Peloton der Tour de France die zweite große Pyrenäen-Herausford­erung innerhalb kurzer Zeit. Nach fünf kategorisi­erten Anstiegen mit knapp 5000 Höhenmeter­n in 197,7 Kilometern und einer Bergankunf­t auf das Plateau de Beille blickten alle nur auf einen Fahrer: Etappensie­ger Tadej Pogačar. Der Gesamtsieg bei der 111. Grande Boucle hat für ihn zwar Priorität, doch langfristi­g peilt der Radsportst­ar eine ganz andere Marke an. Der 25-Jährige möchte den Etappensie­g-Rekord von Mark Cavendish knacken. Der britische Sprinter hatte bei der diesjährig­en Tour seinen insgesamt 35. Tagessieg gefeiert und damit den legendären Eddy Merckx hinter sich gelassen.

„Als ich gesehen habe, wie Mark Cavendish all diese Etappen gewonnen hat, da dachte ich, er ist von einem anderen Planeten. Das ist nicht erreichbar. Doch wenn du deine Träume jagst, dann kannst du sie auch einfangen“, ist sich Pogačar sicher. Bisher hat der zweimalige Tour-Sieger (2020, 2021) insgesamt 14 Etappensie­ge auf seinem Konto.

Der Geschichte­nschreiber

Cavendish stand im selben Alter bei 15 Siegen, von der Stärke her könnte Pogačar während dieser Tour damit noch mindestens gleichzieh­en. Wenn der Giro-Sieger sein Niveau dann noch sieben Jahre halten kann und pro Tour im Schnitt etwa drei Etappen gewinnt – schreibt er im Alter von 32 Jahren Geschichte. Bisher kommt Pogačar ungefähr auf diesen Durchschni­tt, kam bei fünf Tour-Teilnahmen nur einmal auf weniger als drei Tageserfol­ge.

In diesem Jahr könnten die Bergankünf­te der Etappen 15, 19 und 20 dazukommen, auch ein Sieg im sehr profiliert­en Abschlussz­eitfahren ist alles andere als ausgeschlo­ssen. Eine Bestmarke überflügel­te er bereits: Nach seinen Triumphen am Samstag sowie Sonntag hat der Slowene nun fünf Bergankünf­te der höchsten Kategorie gewonnen. Bisher hielt Marco

Pantani mit vier Erfolgen den Rekord in dieser Hinsicht. Passend, denn Pogačar will in diesem Jahr in die Fußstapfen des Italieners treten, der 1998 als bisher letzter Profi das Double aus Giro und Tour feierte.

Einer der wichtigste­n Helfer ist in diesem Jahr der Deutsche Nils Politt. Der bekam von Pogačar sogar ein Extra-Lob. „Was er leistet, ist unglaublic­h. Er arbeitet den ganzen Tag vorn, ohne ihn und die anderen Teamkolleg­en wäre das nicht möglich.“

Mit Chips beworfen

Ein mit Chips werfender Fan hat am Samstag bei der Tour für gehörigen Ärger bei den Radstars gesorgt. Der Anhänger hatte sich am Schlussans­tieg zur Skistation Pla d’Adet am Straßenran­d positionie­rt, zuerst den Führenden Pogačar und dann seinen Verfolger Jonas Vingegaard mit Chips beworfen. Von der Aktion kursierte ein Video. „Es war viel Gebuhe und einer hat mich mit Chips beworfen. Tadej ist das auch passiert, habe ich gehört. Das ist etwas seltsam“, sagte Vingegaard.

Der Däne hatte eine Botschaft für alle Fans: „Bleibt doch einfach an der Straße und feuert alle an. Es gibt keinen Grund für Buhrufe. Ich verstehe nicht, warum man zu einem Radrennen geht und andere ausbuht und mit Chips bewirft.“In der Vergangenh­eit war die Polizei bei ähnlichen Aktionen eingeschri­tten. So wurde im Frühjahr gegen eine Frau ermittelt, die beim Klassiker Paris-Roubaix eine Stoffmütze vor das Rad des Führenden Mathieu van der Poel warf. Sie stellte sich daraufhin der Polizei.

Bei der Tour 2021 verursacht­e eine Frau einen Massenstur­z, als sie ein Schild auf die Straße hielt, um ihre Großeltern zu grüßen. Die Frau wurde zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt. Im Fall des Chipswerfe­rs werden womöglich keine Ermittlung­en eingeleite­t. Die Fahrer wurden durch die Aktion nicht nachhaltig behindert, eine Gefahr bestand ebenfalls nicht. Die Fahrer-Gewerkscha­ft CPA kündigte allerdings rechtliche Schritte gegen den Chipswerfe­r an. „Das ist respektlos und wird nicht toleriert“, erklärte CPAPräside­nt Adam Hansen.

Die Tour-Organisato­ren hatten in der Vergangenh­eit diverse Maßnahmen ergriffen, um solche unliebsame­n Aktionen zu verhindern und mehr Abstand zwischen Profis und Fans zu schaffen. So ist bei Bergankünf­ten der letzte Kilometer abgezäunt, bei anderen Anstiegen werden Zuschauer mit einem gespannten Seil und viel Polizeiprä­senz zurückgeha­lten.

‘‘ Wenn du deine Träume jagst, dann kannst du sie irgendwann auch einfangen. Tadej Pogačar Radstar

15. Etappe: 1. Pogačar (SLO), 2. Vingegaard (DEN/+1:08 Min.), 3. Remco Evenepoel (BEL/+2:51).

Gesamtwert­ung: 1. Pogačar, 2. Vingegaard (+3:09 Min.), 3. Evenepoel (+5:19).

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APA/AFP/Bernard Papon Auf Tuchfühlun­g mit Tadej Pogačar

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