Das Attentat auf Donald Trump ist ein Gamechanger
Der Anschlag verändert die Dynamik des Wahlkampfs nochmals schlagartig. Für Joe Biden eröffnet sich die Chance für geordneten Rückzug.
Das Bild ist ikonisch, und es suggeriert die Unbesiegbarkeit Donald Trumps, der imstande ist, alle Hürden zu überwinden und sogar Attentate zu überstehen. Wie er sich nach dem schändlichen Anschlag instinktiv unter das Podium duckt, um umringt von Secret-Service-Agenten, mit Blutspuren im Gesicht, geballter Faust und der Parole „Fight! Fight! Fight!“wie ein Phönix aus der Asche aufzustehen, wird nicht nur bei seinen Anhängern den Mythos des Märtyrers und Gewinners nähren.
Hat sich der Ex-Präsident nicht immer selbst zum Opfer einer „Hexenjagd“seiner politischen Gegner stilisiert? Nun sehen sich Trump und seine Fans vollends darin bestätigt. Dass mutmaßlich ein junger Republikaner den Anschlag ausgeführt hat, ist für sie bloß Teil einer Verschwörung.
Das Attentat auf Donald Trump bei einem Auftritt im Swing State Pennsylvania markiert nach der desaströsen Performance Joe Bidens im TV-Duell einen Wende- und zugleich einen Tiefpunkt im US-Wahlkampf. Unmittelbar vor dem republikaverfechter, nischen Parteikonvent in Milwaukee in der kommenden Woche, bei dem sich der Ex-Präsident mit großer Geste als politischer Märtyrer präsentieren wird, verändert es die Dynamik noch einmal schlagartig: da der vitale Herausforderer, dort der fragile und greise Amtsinhaber.
Trump wachsen nun die Sympathien auch unabhängiger Wähler zu. Es vermittelt sich der Eindruck der Unvermeidlichkeit eines Wahlerfolgs Trumps. Unter den gegebenen Umständen dürfte ihm ein Sieg gegen Biden kaum zu nehmen sein. Die Unterstützungserklärung durch Elon Musk zeigt, wohin der Wind sich dreht.
Der politisch angeschlagene Präsident reagierte prompt: Biden verurteilte den Akt der politischen Gewalt, er telefonierte mit dem leicht verletzten Rivalen und legte eine Wahlkampfpause ein. Es ist Zeit, innezuhalten. Es wäre an Donald Trump als Opfer einer Waffengewalt, die jährlich das Leben von mehr als 30.000 US-Amerikanern fordert, für ein schärferes Waffenrecht zu plädieren. Die Hoffnung ist freilich vergeblich. Die fanatischen Waffenzumeist Mitglieder der Waffenlobby NRA, sind der harte Kern seiner Anhängerschaft.
Trump selbst hat mit der Rhetorik von der „gestohlenen“Wahl, der Verhöhnung und Denunzierung seiner Gegner, mit der Beschwörung eines möglichen „Bürgerkriegs“und eines „Blutbads“das politische Klima aufgeheizt und vergiftet. Er hat den Ton gesetzt, und Biden hat es nicht geschafft, sich souverän darüber hinwegzusetzen. Spätestens seit dem Attentat ist klar, dass er der falsche Kandidat gegen Donald Trump ist, der eine Naturgewalt ist und Urkraft ausstrahlt.
Wann, wenn nicht jetzt eröffnet sich für Joe Biden die Chance für den geordneten Rückzug und einen Abgang in Würde? Am besten während der „Krönungsmesse“Trumps in Milwaukee, wo er ihm die Show stehlen könnte. Die Demokraten stehen vor der Wahl: ein Untergang mit Biden oder zumindest eine Chance, mit einer Alternative ins Rennen zu gehen. Ein Gamechanger, um es im Sportjargon zu formulieren, ist vonnöten.