So flott segelt Rod ins Ausgedinge
Auf seiner Abschiedstour machte Rod Stewart in der Wiener Stadthalle Station. In Bestform! Mit viel Soul, ein wenig Rock ’n’ Roll und enormem Stimmcharisma wickelte der 79-Jährige seine Fans um den Finger.
Dieser Mann liebt Luxus. Und er liebt Kitsch. Als besonderes Hobby hegt er das Leiden. Nicht im echten Leben, sondern als unverbesserlicher Fußballfan der schottischen Nationalmannschaft. Und von Celtic Glasgow, dem Verein, dessen Emblem während der zuckerlfarbenen Show am Dienstagabend in der Wiener Stadthalle immer wieder projiziert wurde. Seit 1888 gibt es den schon. Rod Stewart erst seit 1945. Und doch will er jetzt, mit 79 Jahren, in Pension gehen, zumindest was Welttourneen anlangt. In Wien verlegte er den Beginn seiner Show wegen der Fußball-EM auf 19 Uhr. Gleich eingangs wünschte er den österreichischen Ballkünstlern alles Gute. Es sollte nichts helfen.
Die im Saal waren, genossen aber Rod Stewart in Bestform. Was das Bedauern über seinen geplanten Rückzug natürlich erhöhte. In den zwei Stunden Spielzeit rekapitulierte der vor einigen Jahren wieder nach Großbritannien zurückgekehrte Sänger, der lange in noblen Resorts in Kalifornien herumstolzierte, seine an Highlights nicht gerade arme Karriere. Mit dem Charisma seiner sandpapierenen Stimme entbot er „Forever Young“, ein wohl einem seiner Kinder zugeeignetes Lied, das durchaus als Devise fürs eigene Leben herhalten könnte: „Win or lose – forever young!“
Oft eindringlich, selten seicht
Die ganz alten Lieder fuhren besonders ein. So etwa der Herzausreißer „I’d Rather Go Blind“, den Stewart so intensiv sang wie einst. Ein Trennungsdrama, komponiert von der amerikanischen Bluesikone Etta James, das den Schmerz so detailliert beschreibt, dass man förmlich mitzittern musste. Da ging tatsächlich ein Raunen durch den Saal. Es sind diese eindringlichen Momente, die Stewart selbst in den kommerziellsten Phasen seiner Laufbahn verlässlich lieferte. Dafür hält man seine Ausflüge ins Seichte, an diesem Abend etwa Bonnie Tylers „It’s a Heartache“, gerne aus.
Erwartungsgemäß hatte Stewart viele leicht bekleidete Damen in seiner Showband. Die geigten, zirpten, trommelten, flöteten und tanzten emsig rund um den Meister. Eine davon spielte mit feinstem Anschlag die Harfe, später die Mandoline. Nur die zwischenzeitlich ertönenden Dudelsäcke jammerten von der Festplatte. Sonst war alles echt, auch das Haupthaar des sich stets liebeshungrig gebenden Romantikers. Nur bei den glänzenden Sakkos war man sich der Echtheit unsicher. Schließlich hat der Träger in den Achtzigerjahren hohe Verdienste um die Kunstfaser erworben. Nicht dass er Samt und Seide verachtete, aber mit synthetischen Textilien konnte er sich kühner inszenieren. Es muss einmal gesagt werden: Wenn sich einer so konsequent schlecht kleidet wie Stewart, dann geht das irgendwann mal auch als persönlicher Stil durch.
Jubel statt Pfiffe für Ukraine-Mode
An diesem Abend stolzierte er zu Beginn in einem glänzenden Tigersakko herum, das er über einem Hemd mit Leopardenmuster trug. Sein später eingesetztes, der Ukraine zugeeignetes Blau-Gelb-Ensemble wurde in der Wiener Stadthalle mit Jubel gewürdigt. Anders als jüngst in Ostdeutschland, wo es mit Pfiffen quittiert wurde.
Dass er seine Umziehpausen dafür nützte, um backstage ein wenig Sauerstoff zu naschen, ist ein böses Gerücht. Rod Stewart ist in blendender Verfassung. Aus einer Position der Kraft interpretierte er Van Morrisons „Have I Told You Lately“so zart wie wohl noch nie. Nicht nur Morrison war ihm dankbar dafür, dass er einen seiner Songs zwischen die Stimmritzen nahm und zum Mainstream-Hit machte. Auch Tom Waits oder Crazy Horse waren es.
Die Entscheidung, seine Stimme in den Dienst fremder Melodien zu stellen, hat er wohl nicht aus einer Not getroffen. Das Material, das er sich erwählte, war, wie auch an diesem Abend feststellbar, höchst heterogen und mit viel Gusto zu singen. Mit dem DonnaSummer-Hit „Hot Stuff“zog er würdig in die Disco. Mit „Downtown Train“von Tom Waits romantisierte er das Bahnfahren der BlueCollar-Fraktion. Mit „Rollin’ and Tumblin’“feierte er Bluesmeister Muddy Waters, mit „Having a Party“sein gesangliches Vorbild Sam Cooke. Eigenes wie „Baby Jane“und „Maggie May“, seine Hymne an die eigene Defloration, wirkte höchst gemütsaufhellend. Beim selbst komponierten Disco-Smash „Da Ya Think I´m Sexy?“verteilte Rod Stewart signierte Fußbälle.
Ganz am Ende herrschte ein hohes Aufkommen an Kapitänen auf Deck. Das Steuerrad der imaginierten Segeljacht teilte sich Stewart mit seinen tüchtigen Damen, die nun wie er weiße Mützen trugen. Ein vom Ventilator gestütztes „Sailing“, einfach wunderbar!