„Ab 2030 haben wir einen Lithium-Engpass“
Serbien will den Weg frei machen für Rio Tinto und Europas größte Lithium-Mine. Rio-Tinto-Manager Chad Blewitt verteidigt das umstrittene Projekt und erklärt, warum ihm auch der Preissturz bei Lithium keine Sorgen bereitet.
In zwei Jahren kann viel passieren. Wie viel, erfährt der australisch-britische Bergbaukonzern Rio Tinto gerade am eigenen Leib. Seit Jahren will das Unternehmen im serbischen Jadar-Tal nach Lithium graben und stößt damit auf heftigen Widerstand aus der Bevölkerung. 2022 zog die serbische Regierung dem Projekt deshalb kurz vor den Wahlen den Stecker. Doch nun ist Belgrad drauf und dran, Europas größte Lithium-Mine wieder zum Leben zu erwecken. An der Kritik hat sich nichts geändert. Was also ist passiert?
„Wir hatten 2022 unsere Arbeit noch nicht erledigt“, gibt sich Chad Blewitt, Rio-Tinto-Manager für das Jadar-Projekt, im Gespräch mit der „Presse“selbstkritisch. Inzwischen habe man den Entwurf der Umweltverträglichkeitsprüfung veröffentlicht und könne zeigen, „dass das Projekt sicher und im Einklang mit den EU-Umweltstandards umgesetzt werden kann“.
Hoffen auf Lizenz
So gibt es keine flüssigen Abfälle, die das Grundwasser verseuchen könnten, es gibt „kein gewaltiges Loch in der Landschaft“, sondern eine rein unterirdische Lagerstätte, über der die Landwirte weitermachen könnten wie bisher. Ja selbst den festen Abfall will Rio Tinto zu Ziegeln weiterverarbeiten, verspricht der Australier und hofft, dass Serbien dem Unternehmen die Lizenz tatsächlich zurückgibt.
Dass die Chancen dafür ganz gut stehen, liegt aber nicht nur an den Studien, die Rio Tinto hat erstellen lassen, sondern auch an der politischen Entwicklung in Europa. Serbiens Präsident, Aleksandar Vučić, hat seine Wahl erfolgreich geschlagen, und auch die EU hat die Sicherung der Versorgung mit kritischen Rohstoffen in den vergangenen beiden Jahren ganz nach oben auf die politische Agenda gehievt.
Aktuell ist Europa bei Lithium, fixer Bestandteil aller Lithium-IonenAkkus in Smartphones, Laptops und E-Autos, von Chile, Australien und China abhängig. Künftig sollen jedoch 80 Prozent des EU-Bedarfs aus europäischen Lagerstätten stammen. Bei Boraten, notwendig für Permanentmagnete, ist die EU gänzlich auf die Türkei angewiesen. Das Jadar-Projekt könnte neben Borat auch jährlich 58.000 Tonnen Lithiumcarbonat produzieren, 90 Prozent des aktuellen Bedarfs der EU. Und Rio Tinto würde in der Riege der zehn größten Lithium-Produzenten der Welt aufsteigen.
Aktuell aber ist der Druck auf Europa gerade bei Lithium nicht sehr hoch. Es gibt etliche Lieferanten und auch genug Ware auf dem Markt, was sich am besten am jüngsten Preisverfall des Rohstoffs ablesen lässt. Chad Blewitt ist trotzdem überzeugt, dass sich das milliardenschwere JadarProjekt rechnen werde: „Das Problem haben wir dann übermorgen“, sagt er. „Wir erwarten nach 2030 einen Engpass bei Lithium aufgrund des steigenden Bedarfs an Elektrofahrzeugen.“Aktuell gibt es bei der Produktion von starken und halbwegs kleinen Batterien keine Alternative zu Lithium. Auch der Plan der EU-Kommission, ab 2035 fossile Verbrenner zu verbieten, werde die Nachfrage nach Lithium weiter steigern. Die erwartete Jahresproduktion in Jadar wäre zwar genug, um 90 Prozent des heutigen Bedarfs in Europa zu decken. 2030 wird es nur noch für elf Prozent reichen.
Kein fixer Starttermin
Ob Europa 2030 aber überhaupt schon auf Lithium aus Serbien zählen darf, ist alles andere als sicher. Der serbische Präsident, Aleksandar Vučić, wirbt zwar damit, dass die Produktion spätestens 2028 starten könne. Aber bis dahin muss noch einiges passieren: Rio Tinto braucht zunächst seine alte Lizenz zurück, dann eine weitere Lizenz, dann eine echte Umweltverträglichkeitsprüfung, dann eine Genehmigung für den Bau. Dann wird gebaut, und danach erst kann der Abbau des Rohstoffs beginnen. „Wir müssen die Kosten und den Zeitplan aktualisieren, sobald wir unsere Lizenz zurückerhalten haben“, sagt Blewitt. Auf einen fixen Starttermin will er sich nicht festlegen. „Die einzige Sicherheit, die ich aufgrund der heutigen Informationen geben kann, ist, dass die Bauzeit vier Jahre beträgt.“