Die noch kaum beachtete Flanke der Pflegemisere
24-Stunden-Pflegerinnen aus dem Ausland decken einen wichtigen Teil des Pflegebedarfs. Das kann irgendwann vorbei sein.
Um 3,3 Prozent solle die Wirtschaft in Rumänien und Kroatien heuer wachsen, erklärte die EU-Kommission am Mittwoch. Wesentlich stärker als im europäischen Schnitt. Und vor allem wesentlich stärker als in Österreich. Für die Menschen in diesen Ländern ist das eine gute Nachricht: Der Wohlstand wächst. Für das heimische Pflegesystem sollte dies jedoch eine Warnung sein.
Denn das Pflegesystem steht bereits heute unter gehörigem Druck. So hat sich laut Rechnungshof die Zahl der stationär betreuten Personen seit 2016 um fast ein Drittel auf mehr als 96.000 erhöht. Der Personalstand ist gleichzeitig aber nur um 14 Prozent angestiegen. Diese Diskrepanz erklärt wohl auch jene Zustände in manchen Altenheimen, über die erst diese Woche von Erwachsenenvertretern berichtet wurde. Demnach waren im Vorjahr 33.000 Personen zumindest zeitweise von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wie Sedierung oder Bettgittern betroffen.
Und der Personalmangel dürfte in den kommenden Jahren – trotz aller Bemühungen, mehr Menschen in Pflegeberufe zu bringen – wohl noch eher zunehmen. Laut Prognosen fehlen allein in den kommenden sechs Jahren 51.100 Pflegekräfte und bis zum Jahr 2050 knapp das Vierfache davon.
Ddiesen beiden Ländern kommen derzeit vielfach jene rund 70.000 as bringt uns wieder zurück zu Rumänien und Kroatien. Denn aus selbstständigen 24-Stunden-Betreuerinnen, die das angespannte System gehörig entlasten. Sie betreuen weitere gut 35.000 Menschen, die sonst häufig auch einen Platz im stationären Bereich brauchen würden. Möglich ist dies aber nur, weil der Einkommensunterschied zwischen Österreich und beispielsweise Rumänien noch so groß ist, dass es sich für die Pflegerinnen auszahlt, 1000 Kilometer zu fahren, um vier Wochen hindurch jeden Tag Pflegebedürftige in Österreich zu betreuen.
Sobald die Gehälter in den Herkunftsländern allerdings ein gewisses Niveau erreicht haben, wird dieser Zustrom an Pflegerinnen versiegen. Das war bereits bei der näher liegenden und wirtschaftlich inzwischen weiter entwickelten Slowakei zu bemerken, die vor 15 Jahren noch den Großteil der ausländischen 24-Stunden-Betreuerinnen stellte. Und auch viele Rumäninnen werden sich in 15 Jahren wohl eher einen Job zu Hause suchen, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort so fortsetzt. Und ob sich in Ländern noch weiter im Osten oder Süden dann ein Ersatz finden lässt, ist aus heutiger Sicht fraglich.
Für die heimische Politik bedeutet dies, dass die Pflegeproblematik noch wesentlich gravierender ist, als sie sich anhand der ohnehin großen Betreuungslücke im stationären Bereich darstellt. Zusätzlich zur Personalthematik kommt auch noch die finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem. So ist die Pflege im Heim trotz wesentlich schlechteren Personalschlüssels auch teurer als jene durch ausländische Pflegerinnen zu Hause.
Die Politik muss dieses Thema daher ebenfalls auf die Agenda setzen. Die Zeit drängt.