Israel sucht die Entscheidung gegen die Hamas
Israel treibt im Gazastreifen seine Militäroperation voran. Bei der UNO in New York und in Washington war die Diplomatie am Wort.
Der Krach zwischen den USA und Israel, ausgelöst durch ein TV-Interview Joe Bidens, hatte in Washington wie in Jerusalem einen Nachhall. In den USA versuchten die republikanische Opposition und proisraelische Gruppen wie die Aipac, die größte jüdische Lobby, gegen die Entscheidung des Präsidenten, Israel nicht weiter mit schweren Bomben zu beliefern, zu punkten. Biden lasse Israel im Stich, er falle dem Verbündeten im Krieg in den Rücken: So lauteten die Vorwürfe gegen Biden, der vom linken Flügel der Demokraten – von Bernie Sanders bis Alexandria OcasioCortez – indes mit Lob bedacht wurde.
In Israel wiederum musste sich auch Benjamin Netanjahu Kritik gefallen lassen. Der Premier setze mit seinem „Missmanagement“die Beziehungen
zu den USA aufs Spiel, sagte Oppositionsführer Jair Lapid. Netanjahu selbst betonte, er hoffe, die Differenzen zu überwinden und mit Biden – wie mehrmals zuvor – wieder ins Einvernehmen zu kommen. Es ist noch nicht lang her, da hatte der US-Präsident seine „eiserne Unterstützung“für Israel bekräftigt. Der Tag der Staatsgründung Israels vor 76 Jahren am 14. Mai ist üblicherweise ein Anlass, die spezielle Freundschaft zwischen den Verbündeten heraufzubeschwören.
Entscheidungsschlacht
Sowohl Israel als auch die USA waren um diplomatische Schadensminimierung bemüht. Israel sei imstande, mit dem bestehenden Waffenreservoir Krieg zu führen, hieß es aus dem Armee-Hauptquartier. Zumal sich die USA ja weiterhin daran halten würden, den Großteil der Waffen nach Israel zu schicken – nur eben nicht nach Rafah, um die Großoffensive im Süden des Gazastreifens zu unterstützen.
In der Stadt an der ägyptischen Grenze, eingekesselt von Panzern und Panzerfahrzeugen, treibt Israel seine Militäroperation voran. Kriegsgetöse liegt in der Luft, die Luftwaffe bombardiert mutmaßliche HamasVerstecke, israelische Truppen liefern sich schwere Gefechte mit den Kämpfern der Terrororganisation – insbesondere um die Schächte zu den Tunnelanlagen, die als Schmuggelrouten und vermutlich als Verlies der Hamas-Führer um Yahya Sinwar dienen. Rund 150.000 Menschen, oft Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens, sollen schon aus der Stadt geflohen sein.
In Rafah sucht die israelische Armee die Entscheidungsschlacht mit der Hamas und ihren letzten vier Bataillonen. Die Strategie hat indessen Israel und die USA entzweit. Während Israel den Kampf mit allen Mitteln führt, halten es US-Militärstrategen seit Beginn des Gaza-Kriegs für sinnvoller, gezielt gegen die Terroristen vorzugehen – mit präzisen Schlägen statt mit großflächigen Angriffen, die hohe Opferzahlen der Zivilbevölkerung in Kauf nehmen.
So hat auch Joe Biden seine Entscheidung begründet. John Kirby, sein Sprecher für die nationale Sicherheit, argumentierte überdies, dass der ultimative Druck einer Großoffensive die Hamas nicht an den Verhandlungstisch zurückbringen werde. Beide Seiten haben die Verhandlungen in Kairo inzwischen abgebrochen.
„Heißer Sommer“
Zugleich bereitet sich Israel auf das Risiko eines Zweifrontenkriegs mit der Hisbollah vor. Die Intensität der Scharmützel an der libanesischen Grenze hat zuletzt zugenommen. Verteidigungsminister Joav Gallant schwor die Truppen auf einen „heißen Sommer“ein – in der Hoffnung, dass die Militärhilfe aus den USA weiter fließt. Die Niederlande und Kanada haben die Waffenhilfe an Israel eingestellt.
Bei der UNO in New York waren derweil die Diplomaten am Wort. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen Antrag eingebracht, den Beobachterstatus der Palästinenser in der Vollversammlung aufzuwerten. Österreich kündigte an, sich zu enthalten. 143 UN-Mitglieder haben den Palästinenserstaat bisher anerkannt. Ende Mai werden die EUStaaten Spanien, Irland, Slowenien und Malta dazukommen. Gegen eine Vollmitgliedschaft haben die USA im UN-Sicherheitsrat allerdings schon ein Veto eingelegt.
Größere Aufmerksamkeit erregte in Israel ein möglicher Auftritt des US-Außenministers Antony Blinken im Kongress in Washington. Er wollte aussagen, dass Israels Krieg trotz aller Kritik in einem Bericht im Einklang mit US-Recht stehe.