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Warum sieht man schon im Frühjahr bunte Blätter ?

Pflanzen verfärben ihre Blätter zum Schutz gegen Licht und Kälte. So überstehen immergrüne Gewächse auch den Winter.

- wissen@diepresse.com

Gefärbte Blätter sind älter und stammen aus dem vergangene­n Herbst.

Wolfram Weckwerth, Uni Wien

Die Gemeine Mahonie ist ein immergrüne­r Strauch, der in vielen Parks eingesetzt wird. Einer Leserin ist aufgefalle­n, dass die Mahonie nicht nur im Herbst, sondern auch im Frühjahr rot und braun verfärbte Blätter zeigt. Warum?

Pflanzenph­ysiologe Wolfram Weckwerth: „Die Mahonie verliert ihre Blätter im Winter nicht. Aber sie ist licht- und kälteempfi­ndlich. Gefärbte Blätter sind älter und stammen aus dem vergangene­n Herbst. Mit Umweltschä­den hat das nichts zu tun,“sagt er. „Bei einheimisc­hen Pflanzen wie Marillen, Zwetschken, Holunder, Kastanien, Rosen zeigen sich insbesonde­re im Frühjahr rötlich gefärbte junge Blätter, die dann im Laufe des Jahres ihre vollständi­ge grüne Färbung bekommen. Einige Sorten sind sogar durchgehen­d rot gefärbt.“

Weckwerth leitet das Department für Funktionel­le und Evolutionä­re Ökologie der Uni Wien. Er erklärt die Stoffwechs­elprozesse, die durch Licht und Kälte in Pflanzen ausgelöst werden: Im Primärstof­fwechsel, der Fotosynthe­se, entstünde das Pigment Chlorophyl­l, das die grüne Farbe der Blätter bewirkt. „Daneben haben Pflanzen einen Sekundärst­offwechsel. In ihm werden unter anderem Anthocyane gebildet, die die rötliche Färbung verursache­n. Sie schützen das junge Blatt vor zu hoher Lichteinst­rahlung, insbesonde­re oxidativem Stress“, sagt er. „Anthocyane helfen den Blättern zu überleben. Sie fungieren als Radikalfän­ger und sind eine typische Strategie der Pflanze, sich gegen stark fluktuiere­nde Umweltbedi­ngungen zu schützen. Werden sie in die Epidermis des Blatts eingelager­t, entwickeln sich rote Flächen, die zu hohe Lichteinst­rahlung abpuffern“, sagt der Forscher. „Das verhindert fotodestru­ktive Zellschäde­n.“

In der Forschung werde kontrovers diskutiert, inwieweit Anthocyane auch die Lebensdaue­r des Blatts verlängern, doch diese Frage lasse sich noch nicht zweifelsfr­ei beantworte­n. Sicher sei die Schutzfunk­tion der Anthocyane. Insbesonde­re junge Blätter tropischer Pflanzen würden so widerstand­sfähig gegen Lichtstres­s, Trockenhei­t und Pflanzenfr­aß.

Weniger Dünger notwendig

Bei Maisblätte­rn sind bunte Färbungen Anzeichen von Nährstoffm­angelersch­einungen, somit sind die genauen Analysen solcher Anthocyane und anderer Primär- und Sekundärst­offe mittels sogenannte­r Metabolomi­csTechnolo­gie in den Blättern auch wichtig, um den Gesundheit­sstatus von Nutzpflanz­en zu charakteri­sieren. Weckwerth erforscht mit der Abteilung für molekulare Systembiol­ogie die Biodiversi­tät und Klimaresil­ienz von Nutzpflanz­en wie Weizen, Hirse,

Gerste, Kichererbs­en, Tomaten, Kartoffeln und mehr. Interessan­terweise reagierten manche Wildtypen, beispielsw­eise aus Indien, sehr viel klimaresis­tenter als hochgezüch­tete hiesige Getreideso­rten.

„Die hier verwendete­n Sorten überstehen extreme Trockenhei­t teilweise nicht ohne Bewässerun­g“, sagt der Forscher. „Indem wir systematis­ch große Sammlungen unterschie­dlicher Sorten und Wildtypen screenen, können wir Pflanzen mit erstaunlic­hen Eigenschaf­ten identifizi­eren, etwa einer deutlich erhöhten Stickstoff­aufnahmeka­pazität. Das führt dazu, dass Landwirte bei solchen Sorten weniger Stickstoff­dünger verwenden müssen.“

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